Psychiatrie unter Druck

Fachgremium beklagt Abschiebung von Klinikinsassen und fehlende Kapazitäten in Niedersachsen

Der niedersächsische Psychiatrie-Ausschuss kritisiert die Abschiebepraxis von Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Die Polizei habe 2006 mehrfach Patienten aus dem Landeskrankenhaus Hildesheim ins Ausland abschieben lassen, bemängelte das Gremium aus Fachleuten und Landtagsabgeordneten gestern in Hannover.

Hintergrund ist der Fall einer Türkin, die nach einem Selbstmordversuch in Hildesheim behandelt wurde. Die siebenfache Mutter wurde von der Polizei vor die Wahl gestellt, mit ihrer Familie in die Türkei abgeschoben zu werden oder allein in der Klinik zu bleiben, heißt es im aktuellen Bericht des Gremiums.

Das Innenministerium bestreitet die Abschiebung, die der stellvertretende Ausschussvorsitzende Wolfram Beins „Nacht- und Nebelaktion“ nannte. Die Frau habe die Klinik „freiwillig verlassen“, teilte ein Sprecher mit. Für eine detaillierte Stellungnahme sei es aber zu früh.

„Wenn man die Frau mitten in der Nacht vor so eine Situation stellt, macht sie das nicht freiwillig“, widersprach die Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ursula Helmhold, die ebenfalls im Ausschuss sitzt. Kritisiert wurde außerdem die häufige Unterbringung kranker Jugendlicher in der Erwachsenen-Psychiatrie aufgrund mangelnder Kapazitäten. „Die Psychiatrie in Niedersachsen“, sagte Helmhold, „ist auf keinem guten Weg“. DPA