: Man spricht deutsch
POLEMIK Ausländer sollen zu Hause deutsch sprechen, fordert die CSU. Sie zeigt damit, wie sehr „Integration“ auf den Hund gekommen ist. Wenn man Einwanderung nicht mehr rückgängig machen kann, dann sollen zumindest ihre Spuren verschwinden
VON DENIZ YÜCEL
Die CSU möchte Migranten per Leitantrag auf ihrem kommenden Parteitag dazu bringen, sich auch zu Hause ausschließlich der deutschen Sprache zu bedienen. Man könnte sagen: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dieser Vorschlag ausgerechnet aus Bayern kommt. Aber ihr würdet es nicht verstehen. Deshalb in aller Deutlichkeit: Hallo, CSU, ihr seid so blöd, wie ihr auf dem Oktoberfest breit seid.
Denn wenn es nicht so wäre, würdet ihr selber darauf kommen, dass sich diese Forderung bei anderen Leuten nach obrigkeitsstaatlicher Bevormundung anhören würde, aus eurem Munde aber grotesk ist. Ihr würdet ahnen, dass die Leute euch auslachen werden. Dass sie euch zurufen: „Lernt erst mal selber Deutsch!“ Dass sie schnippisch fragen: „In welcher, der Erst- oder der Zweitfamilie?“ Dass sie feststellen: „Und so was will eine konservative Familienpartei sein.“ Dass sie genüsslich die Reden eures Ministers Alexander Dobrindt hervorkramen oder sich der gestammelten Werke eures früheren Vorsitzenden Edmund Stoiber erinnern.
Kurz: Wenn ihr nicht so blöd wie breit wärt, hätte euch gedämmert, dass ihr euch mit so einer Idee noch mehr zum Horst machen würdet, als man es von euch ohnehin gewohnt ist.
Aber für diesen depperten Vorschlag muss man euch auch dankbar sein. Zum einen, weil es mal wieder um die guten alten Ausländer geht und nicht wie sonst um die Muslime. Vor allem aber, weil allmählich klar werden dürfte, dass das Wort „Integration“ inzwischen zu einem Kampf- und Maßregelungsbegriff geworden ist. Jeder noch so schwachsinnige Vorschlag, jede verfassungswidrige Forderung, jede Gemeinheit aus dem Repertoire des Überwachungsstaates kommt im Namen der „Integration“ daher.
Die Deutschpflicht für Ausländer ist schon ziemlich gut. Aber da geht noch mehr: Hallo, CSU: Was sagt ihr eigentlich dazu, dass die Tageszeitung Hürriyet (!) in Deutschland (!!) immer noch auf Türkisch (!!!) erscheint? Dass die Ausländer ihre Kinder weiterhin Özlem, Mohammed oder Mladen nennen? Dass die Türken im Zweifelsfall ihren Urlaub lieber in der Türkei und die Griechen lieber in Griechenland verbringen statt im Bayerischen Wald oder im Allgäu?
Doch es kommt gar nicht darauf an, ob einige Gemeinheiten in die Tat umgesetzt werden. Das permanente Reden genügt, um stets ein neues deutsches Ich-Ideal zu formulieren, dem die Ausländer im Allgemeinen und die aus muslimischen Ländern im Besonderen niemals gerecht werden können. Man erinnere sich an Mithat Gedik aus dem nordrhein-westfälischen Werl, der nur dank der öffentlichen Aufmerksamkeit den Titel Schützenkönig behalten durfte.
In dieser Posse wurde auf groteske Weise zweierlei deutlich: Zum einen hat sich Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren so verändert, dass man auch in konservativen Milieus die Einwanderungsgesellschaft akzeptiert hat. Wer’s nicht glaubt, möge vergleichen, wie damals in der Frankfurter Allgemeinen oder der Welt das Thema kommentiert wurde. Oder einen Blick auf die Führung der CDU werfen, in der es keine Figuren wie Alfred Dregger oder Roland Koch mehr gibt, dafür einen wie Generalsekretär Peter Tauber, der am Freitag twitterte, er finde, es gehe die Politik nichts an, in welcher Sprache er sich zu Hause unterhält.
Andererseits gibt es Widerstände gegen diese Entwicklung, wovon der Zuspruch für bestimmte Sachbuchautoren ebenso zeugt wie der Erfolg der AfD oder die Demonstrationen in Dresden. Und selbst dort verpackt manch einer seine Ressentiments als Klage über „mangelnde Integration“.
In einer pluralistischen Gesellschaft aber kann Integration nur zweierlei bedeuten. Im positiven Sinne die Möglichkeit der politischen und kulturellen Teilhabe und des sozialen Aufstiegs (woran es in Deutschland immer noch gewaltig hapert). Und im negativen Sinne die Selbstverständlichkeit, dass auch die Neubürger ihre Steuern zahlen, die Verkehrsregeln befolgen und die Gesetze achten müssen. (Okay, kriegt nicht jeder hin, wer wüsste das besser als die CSU?)
In dem kulturalistischen Blödsinn aber, den man hierzulande so gerne draufpackt, drückt sich etwas anderes aus: der Wunsch nämlich, wenigstens die Spuren der Einwanderung, wenn man diese schon nicht rückgängig machen kann, restlos zu beseitigen. Zugrunde liegt dem die Vorstellung von einer homogenen Gesellschaft, der sich die Einwanderer einzufügen haben. Eine moderne, kapitalistische Gesellschaft aber ist nicht homogen. Homogen ist nur (und auch nur in der Ideologie) die Volksgemeinschaft, in der es eben nicht genügt, Steuern zu zahlen, Verkehrsregeln zu befolgen und Gesetze zu achten, und in der man, wie es der große Wolfgang Pohrt einmal formulierte, obendrein mitsingen und mitmachen muss.
Darum ist es mit der Sprache nicht getan. Selbst wenn alle Ausländer künftig am Küchentisch nicht mehr ausländisch reden würden, sondern deutsch (oder halt das, was man in der CSU dafür hält), würde irgendeinem Hinterwäldler auffallen, dass viele Ausländer weiterhin an den Propheten Mohammed oder an gar keinen Gott, jedenfalls nicht an die heilige katholische Kirche glauben, dass sie womöglich lieber Hande Yener als Helene Fischer hören, sich für Fenerbahçe und Galatasaray einen Tick mehr interessieren als für den FC Bayern und den BVB und partout nicht Dirndl und Lederhosen tragen wollen.
Lauter Fälle von Integrationsverweigerung, die dringend geregelt werden müssen. Integration ist nämlich erst dann vollendet, wenn man die Ausländer kein bisschen von den Vollhorsten von der CSU unterscheiden kann.
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