„Minderheiten zu fördern braucht Zeit“

Qualifizierungsmaßnahmen für MigrantInnen scheiterten oft daran, dass Berater deren besondere Lage nicht verstehen, meint der interkulturelle Berufsberater Özcan Ayanoglu. Er plädiert für individuelle Förderpläne

ÖZCAN AYANOGLU, 60, ist Projektleiter der Interkulturellen Berufsberatung beim Türkischen Bund Berlin.

taz: Herr Ayanoglu, ist das Angebot an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen für Migranten gut und ausreichend?

Özcan Ayanoglu: Weder noch. Es gibt nur sehr vereinzelt migrantenspezifische Angebote, meist über den europäischen Sozialfonds finanzierte Projekte. Aber es gibt keine vernetzten Maßnahmen, die über alle Jobcenter oder Arbeitsagenturen laufen.

Woran liegt das?

Die Agenturen und Jobcenter betrachteten dies bisher offenbar als nicht so wichtig. Sie sind in der Regel auch nicht imstande, selber solche Angebote bereitzustellen. Wenn die Beratung schon nicht die besonderen Bedürfnisse von Migranten erfasst, dann können auch keine speziellen Angebote gemacht werden.

Welche besonderen Bedürfnisse haben denn Migranten?

Sie brauchen Berater, die ihre Probleme verstehen, aber auch ihre Kompetenzen erkennen können. Denn die meisten Zuwanderer haben ja Kompetenzen, teils auch Qualifikationen mitgebracht, die hier oft nicht erkannt oder nicht anerkannt werden. Dafür braucht man eine gewisse interkulturelle Kompetenz. Davon besitzen die Mitarbeiter von Jobcentern in der Regel nicht viel. Berater mit Migrationshintergrund gibt es dort kaum.

Migration ist ja nicht neu – ist aus jahrzehntelanger Erfahrung nicht gelernt worden?

Es gibt sei einigen Jahren in manchen Bereichen, etwa bei den Jugend- oder Sozialämtern, Schulungen der Mitarbeiter in interkultureller Kompetenz. Aber in den Jobcentern ist das bisher noch nicht angekommen.

Bei denen, die in Maßnahmen vermittelt werden, gibt es hohe Abbrecherquoten. Woran liegt das?

Wenn die Berater nicht imstande sind, passende Angebote zu machen, dann gibt es am Ende Misserfolge. Man muss aber auch anerkennen, dass die Zielgruppe eine sehr schwierige ist. Gerade bei denen, die als junge Erwachsene nach Deutschland gekommen sind, aus dem Heimatland oft wenig schulische oder berufliche Bildung mitbringen und kaum Deutsch können, reichen Eingliederungsmaßnahmen von einigen Monaten nicht aus. Da braucht es mehr als ein Jahr, um Sprachkenntnisse, berufliche Qualifizierung und am Ende einen Job zu vermitteln. Der Berliner Arbeitsmarkt bietet dieser Gruppe wenig Möglichkeiten. Mit Basisqualifikationen kann man da nicht viel erreichen.

Was wäre die richtige Antwort auf diese Lage?

Die Antwort sind modulare Maßnahmen, in denen Qualifikationen in Bausteinen ganz nach individuellem Bedarf erworben werden können und zu anerkannten Abschlüssen führen.

Warum tun sich die Ämter so schwer damit, solche Wege zu beschreiten?

Minderheitenförderung ist in Deutschland ein schwerfälliges Projekt – das braucht Zeit. Seit einigen Jahren wird Integrationspolitik ernster genommen. Es gibt einen gewissen Willen, Zuwanderer besser zu fördern und zu integrieren. Dies haben vielleicht die Pisa-Ergebnisse oder Erkenntnisse über die demografische Entwicklung und ökonomische Standortfragen ausgelöst. Aber die Veränderungen dahin, dass das Potenzial von Migranten besser genutzt wird und Zuwanderer bessere Chancen haben, brauchen lange.INTERVIEW: ALKE WIERTH