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Archiv-Artikel

KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Das Timing der „Friends With Books“-Messe für Künstler_innenbücher, die am Wochenende im Café Moskau steigt, ist scheinbar an Kaufwillige im Weihnachtsrausch angepasst. Schnell noch ein hübscher Bildband fürs heimatliche Ambiente. Im U.S.-Konsum-Jargon heißt das „Coffee Table Book“ – Deko für den Wohnzimmertisch. Wieso so zynisch? Weil ich inflationäre Verwendungen des Freundschaftsbegriffs nicht leiden kann. Ich bin nicht dein Freund, nur weil ich dir was abkaufe. Doch lassen wir uns nicht von der Verpackung abhalten, das Rahmenprogramm wirft interessante Fragen auf. Am Samstag diskutiert die Multimediakünstlerin Rebecca Partridge mit Kuratorin Lauren Reid über Synästhesie und das Unsichtbare. Es lässt sich eben nicht jede Erfahrung so einfach verschriftlichen oder im Bild festhalten. Und die Suche nach alternative Formaten ist im vollen Gange: The Liberated Page, Vereinigung für unabhängige Publikationsformate und kommunales Künstlerbucharchiv, arbeitet mit Claudia de la Torres und Louise Guerra, die in zwei Performances die „poetische und strukturelle Praxis in der Kunstbuchproduktion“ erforschen werden. De la Torres wird zudem über Fußnoten Querverweise zwischen Büchern herstellen und über Fenster verteilen (13.–14. 12., 11–19 Uhr, Karl-Marx-Allee 34; Performances: Sa. 14+17 Uhr).  Achim Lengerer von Scriptings beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie sich Publikations- und Editierungsprozesse jenseits von Büchern und Markt künstlerisch bearbeiten lassen. Er verteilt Bild- und Textfragmente von Arbeitsprozessen in der Öffentlichkeit, bevor sie überhaupt editiert werden. Keine der Publikationen ist käuflich. Im Juli tauchte zum Beispiel ein erster Riso-Druck zu Emma Haughs Projekt „The Re-Appropriation of Sensuality“ (Die Wiederaneignung der Sinnlichkeit) auf der Berlin Art Week auf. Eine Frau liegt auf zwei Stühlen und balanciert ein Stück Pappe auf Gesicht und Körper. Es scheint nur sie und das Papier zu geben, sie küsst es förmlich, das Umfeld verschwindet. Der Künstlerin geht es um Begehren und Körperlichkeit. In Dublin bat sie Workshop-Teilnehmer_innen, einen imaginären Sex-Club für Frauen zu entwerfen, Kostümbildnerin Holly O’Brien drapierte die entstandenen Labyrinth-Ideen dann direkt auf deren Körper. Ein Bildfragment der Kollaboration erscheint am 16. 12. als Teil einer Collage auf www.scriptings.net. Auf der Rückseite sprechen Haugh und die Konzeptkünstlerin Janine Eisenächer über die Materialien, die bisher in das Projekt eingeflossen sind. Bestimmt voll Anti-Deko (Kamerunerstr. 47, Termine: Tel. 63 96 18 10).