heute in bremen
: Selbstständigkeit und Zeitgewinn

Im Frauengesundheitstreff Tenever wird Rad fahren geübt

Frau Bösemann, inwiefern taugt ein Fahrrad als Integrationsvehikel?

Sigrun Bösemann, Verkehrspädagogin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC Bremen):

Zunächst mal verschafft ein Fahrrad Selbstständigkeit und Zeitgewinn. Darüber hinaus stärkt es immer das Selbstvertrauen, wenn Frauen zusammen in einer Gruppe etwas schaffen, was sie sich bisher nicht zugetraut haben.

Elf Frauen, unter anderem aus der Türkei, Kasachstan und Kamerun lernen bei Ihnen gerade das Rad fahren. Ist das in deren Herkunftsländern Männersache?

Ja. Bei uns war das noch um 1900 herum übrigens genauso – da wurden radfahrende Frauen ziemlich beschimpft.

Was sind die besonderen Schwierigkeiten während des Trainings?

Viele Frauen kommen mit einer großen Anspannung hierher. Wir fangen deswegen mit Rollern an, um erstmal das Gleichgewicht zu üben. Dann nehmen wir ein eigens umgebautes Laufrad, bevor wir irgendwann die Pedale ausklappen. Dabei muss ich genau beobachten, was den Frauen Angst macht.

Das klingt wie eine Art Alphabetisierungsprogramm in Sachen Fortbewegung.

Da gibt es in der Tat Parallelen. Fahrrad fahren lernen ist dabei nicht nur ein Thema für MigrantInnen, wir führen auch in Schwachhausen Kurse durch. Es gibt viel mehr Erwachsene, die nicht Rad fahren können, als man gemeinhin denkt. Und wie Analphabetismus ist das für viele Betroffene ein Tabuthema.

Fragen: HB