: Verschenken, bezahlen, vermehren, verleihen
GELDBESCHAFFUNG Für Start-ups, Kreative und Vereine ist Crowdfunding eine günstige Art, an Kapital zu kommen. Für die Geldgeber kann es Spende, Kauf, Anlage oder Kredit sein. Über Modelle, Plattformen, Vorteile und Risiken der Schwarmfinanzierung
■ Im Jahr 2014 wurden bislang über Crowdfunding-Plattformen in Deutschland 35 Millionen Euro gesammelt. 2011 waren es gerade mal eine Million Euro. Die meisten Crowdfundings in Deutschland werden über die Plattform Startnext abgewickelt. 2014 wurden 950 Projekte erfolgreich finanziert und dabei 7,5 Millionen Euro umgesetzt. Marktführer beim Crowdinvesting ist die Plattform Seedmatch. 2014 wurden 19 Start-ups finanziert und mehr als 10 Millionen Euro umgesetzt.
■ Seit 2006 wurden insgesamt 135 Millionen Euro crowdgefundet. Davon wurden 60 Millionen in Form von privaten Krediten verliehen und 44 Millionen Euro in Start-ups investiert. Nicht renditeorientierte Crowdfundings sammelten 20 Millionen. Gespendet wurden rund 12 Millionen Euro.
■ 1,3 Billionen Euro betrug im September 2014 das Kreditvolumen deutscher Banken für Unternehmer und Selbstständige. Gemessen an der Kapitalbeschaffung durch Banken ist der Anteil durch Crowdfunding mit unter einem Prozent nur sehr gering.
VON RALF PAULI
Ein 5-Sterne-Resort an der Ostsee, ein Kochbuch, in dem Flüchtlinge ihre Geschichte erzählen, oder ein Koffer, der sich per Smartphone orten lässt – alles Produkte, die durch Crowdfunding finanziert wurden. Wer eine Geschäftsidee hat und kein Geld, ist längst nicht mehr auf große Investoren oder Banken angewiesen. Über Internetplattformen wird die Idee vorgestellt, das gewünschte Kapital und eine Laufzeit angegeben, und dann müssen sich nur noch genügend Leute finden, die das Geld überweisen.
Der Kapitalerwerb durch den Schwarm ist die Grundidee des Crowdfunding. Gerade für Start-ups, Kreative oder Weltverbesserer ist sie attraktiv, weil klassische Bankkredite für Unternehmensgründer wesentlich schwieriger zu bekommen sind. Auf der Crowdfunding-Plattform entscheidet nicht eine einzelne Institution, sondern die Masse darüber, ob das Luxushotel gebaut, die Flüchtlingserfahrungen gedruckt und der auffindbare Koffer Realität wird.
Von erfolgreichen Ideen profitieren auch die Crowdfunding-Plattformen. Wird die Projektsumme erreicht, behalten sie eine Provision ein, je nach Anbieter zwischen 4 und 10 Prozent. Marktführer Startnext setzt sogar auf eine freiwillige Abgabe und bekommt von seinen Kunden 4 bis 5 Prozent des eingesammelten Kapitals. Im Gegenzug sorgen die Plattformen für Interessenten und beraten bei Bedarf über Communitybuilding, Marktstrategien, realistische Projektsummen und -laufzeiten. Ein weiterer Vorteil ist, dass Interessenten und Unterstützer Verbesserungsvorschläge für die Produkte machen und sich dadurch bereits in der Finanzierungsphase ein Kreis potenzieller Kunden bildet. Eine hohe Aufmerksamkeit durch die Crowd kann außerdem die Aufmerksamkeit größerer Unternehmen und Investoren auf das Projekt lenken: Die Schwarmintelligenz zeigt ihnen, welche Produktideen sich auf dem Markt behaupten könnten wie beispielsweise das Linux-Smartphone Ubuntu Edge. Obwohl die Finanzierung durch Crowdfunding trotz großem Interesse scheiterte, ist das Projekt nicht aufgegeben worden. Interessenten aus der Elektronikbranche investieren jetzt in Ubuntu.
Mittlerweile werben auch Kreditinstitute, Mönchsorden und klamme Kommunen um die Gunst der Crowd. Im vergangenen Jahr hat sie weltweit mehr als 5 Milliarden US-Dollar eingebracht. Auch in Deutschland werden per Crowdfunding Buchideen, Musik-CDs, Immobilien und journalistische Projekte wie zuletzt die „Krautreporter“ finanziert. Für fast jede Nische gibt es eigene Plattformen: Wer für ein humanitäres Projekt spenden will, tut dies auf der Plattform Betterplace. Nachhaltige Wertanlagen bieten Bettervest oder Econeers an. Und wer sich an einer Kinoproduktion beteiligen will, sucht bei Filmkraut oder Cinedime nach den Kassenschlagern von morgen.
Auch Großprojekte schaffen es immer wieder, über ihre Fangemeinde genügend Geld zu sammeln. So erhielt der Kinofilm „Stromberg“ 1 Million Euro über das Crowdfunding, um die TV-Serie auch in die Kinos zu bringen. Wer höhere Summen spendete, wurde sogar an den Kinoeinnahmen beteiligt oder im Abspann namentlich erwähnt. Auch die taz hat für den geplanten Neubau in drei Monaten mehr als 6 Millionen Euro geliehen bekommen – und zahlt den Unterstützern das Geld mit Zinsen zurück. Von kleinen Dankeschöns bis hin zur Gewinnbeteilung: Es gibt viele Anreize für die Crowd, ihr Geld zu geben (siehe nächste Seite).
Große Betrügereien sind bislang ausgeblieben. Trotzdem will die Bundesregierung diesen alternativen Kapitalmarkt besser regulieren, da Unternehmen mit hohen Gewinnen oder Zinsen locken, die Privatanleger aber nicht über ihre Risiken informieren. Dabei hat jedes Crowdfunding auch seine eigenen Gesetze. Ob man sein Geld verschenkt, gegen eine bestimmte Leistung tauscht, mit Aussicht auf Gewinn anlegt oder als Kredit verleiht, regelt der spezifische Vertrag. Und eben auch,welche Rechte und Risiken beide Parteien haben.