Razzia im Tierschutzverein

Nach den Untreue-Vorwürfen gegen Vorstandsmitglieder des Tierheims werden neun Wohnungen gefilzt. Ans Licht kommen immer neue dubiose Grundstücks- und Immobilienverkäufe des Vereins

Der 1841 gegründete Hamburger Tierschutzverein hat derzeit 8.000 Mitglieder und mehr als 80 Mitarbeiter. Er betreibt das Tierheim in der Süderstraße, das über eine 24-Stunden-Alarmbereitschaft, einen Fuhrpark zur Tierrettung sowie ein Ärzteteam für Operationen verfügt. Wolfgang Poggendorf ist seit 1995 Geschäftsführer des Vereins und inzwischen auch Chef des Vorstands.  KVA

www.hamburger-tierschutzverein.de

VON KAI VON APPEN

Für Wolfgang Poggendorf wird es langsam eng: Immer neue Untreue-Vorwürfe werden gegen den 70-jährigen Chef des Hamburger Tierschutzvereins (HTV) laut. Gestern durchsuchten Wirtschaftsfahnder und Staatsanwälte neun Wohnungen in Hamburg und Umgebung sowie auf Sylt. 150 Polizisten waren an der Aktion beteiligt. Die Ermittlungen richten sich auch gegen die stellvertretende HTV-Vorsitzende Kirsten W. und den Vereins-Schatzmeister Manfred E.

Ins Rollen gebracht hatte den Stein ein umstrittenes Immobiliengeschäft Poggendorfs: Der Tierheim-Chef hatte dem Verein ein Appartment in Westerland auf Sylt abgekauft – Preis: 130.000 Euro inklusive Tiefgaragenplatz und Meeresblick. Die Wohnung war dem HTV einst von einem Tierfreund vererbt worden. Der Wert der Immobilien wird jedoch laut Angaben aus Maklerkreisen wesentlich höher, nämlich auf weit über 200.000 Euro beziffert. Obwohl es Interessenten gegeben haben soll, die den Markwert zahlen wollten, hatte Poggendorf vom HTV-Vorstand den Zuschlag bekommen. Poggendorf, der nach eigenem Bekunden seinen Alterswohnsitz in dem Appartment einrichten will, beruft sich auf ein Gutachten, demnach der Kaufpreis angemessen sei.

Ins Blickfeld der Ermittler ist nun auch ein weiteres Immobiliengeschäft unter Poggendorfs Ägide geraten: 2003 hatte der HTV den Gnadenhof bei Ellerhoop/Elmshorn für 610.000 Euro verkauft. „Offenbar weit unter Wert“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger. Der Verein hatte das Anwesen von mehr als 100.0000 Quadratmeter diversen Stallungen und einem Wohnhaus in den 80er Jahren für rund 850.000 Euro erworben, um 50.000 Euro erweitert und für eine unbekannte Summe renoviert.

Im März 2004 ist zudem der Fichtenhof bei Hornebek nebst zwei Holzhäusern für gerade mal 17.000 Euro verkauft worden. Wiederum: „Deutlich unter Wert“, sagt Bagger: „Wir prüfen, ob dem gemeinnützigen Verein, der sich dem Tierschutz verpflichtet hat, durch diese Verkäufe Schaden zugefügt worden ist.“ Bagger zufolge waren die Käufer in der Regel HTV-Mitglieder.

Außerdem gibt es nach Angaben eines Testamentsvollstreckers offene Fragen bei weiteren Wohnungsverkäufen, die ebenfalls aus der Erbmasse verstorbener Tierfreunde stammten. Er sagte dem Hamburger Abendblatt, dass das vermachte Geld nicht zweckgebunden für den Tierschutz eingesetzt worden sei und sprach von einer „unfassbaren Geldverschwendung“.

Noch einem weiteren Fall ist das NDR-Fernsehmagazin „Hamburg Journal“ auf die Spur gekommen: Wiederum von einem offenbar vermögenden Tierfreund waren dem HTV im Jahr 1998 zwei Häuser in der Herbertstraße auf St. Pauli vererbt worden, die der Verein dann 2001 an eine im Rotlichtmilieu agierende Immobilienfirma verkauft haben soll. Unter Hinweis auf Vereinsinterna hat Poggendorf den dabei erzielten Preis nie preisgegeben. Nach NDR-Recherchen lag der Marktwert der Immobilien damals bei rund drei Millionen Mark. Laut Kaufvertrag, der dem „Hamburg Journal“ vorliegt, hat der Tierschutzverein in Person von Geschäftsführer Poggendorf sowie einer weiteren Person die Häuser nur für 1,75 Millionen Mark verkauft. „Dieser Fall ist hochinteressant“, wird in dem Beitrag auch Rüdiger Bagger zitiert.

Aufgrund der Vorgänge um die Vereinsvorständler könnte nun das gesamte Geschäftsgebaren des HTV unter die Lupe genommen werden. So erhält der HTV jährlich von der Stadt 1,6 Millionen Euro für das Aufgreifen und die Unterbringung von herrenlosen Hunden.