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Archiv-Artikel

Altertümer für Alle

Warum in die Ferne schweifen, die Antike liegt so nah: Wer sich keinen Griechenland-Trip leisten kann, sonnt seine Sinne an attischen Vasen im Schnoor. Möglich macht es der Weserwohnbau-Chef

Von Henning Bleyl

Spätestens seit Brad Pitt in „Troja“ zu sehen war, stehen Teenies auf antike Helden. Auch die dazugehörigen historischen Hintergründe können sie in Bremen erfahren: im kleinen, noch ziemlich unbekannten „Antikenmuseum“, das ausgerechnet in Thomas Klumpps postmodernistischer Zitations-Wüste, der „Marterburg“, im Schnoor liegt. Wie kommt es dahin?

Am Anfang war ein Schnorchelgang – so sagt es die Museumslegende. Manfred Zimmermann, heute 72, schnorchelte also vor der griechischen Küste und fand seine ersten Scherben. Nichts Besonderes, nur Gebrauchskeramik. Aber immerhin zweieinhalb Jahrtausende alt, Zimmermanns antike Leidenschaft war geweckt. Zusammen mit seiner Gattin begann er zu sammeln, erwarb einige Dutzend der 33.000 noch vorhandenen Vasen aus der Athener Glanzzeit zwischen 560 und 350 vor Christi Geburt und baute für all das schließlich ein kleines, rein privates Museum. Das dazu notwendige Kleingeld verdiente Zimmermann unter anderem mit dem Teerhof, als Inhaber der Weserwohnbau GmbH.

Heute liegen die persönlichen Funde am Eingang des Museums: ein Amphorenhenkel, ein abgeschlagener Hals – sowas würde man auch gerne mal aus dem Wasser ziehen. Gleich daneben stehen dezent, aber gewichtig, drei Bände Beazly. Beazly ist der Oxford-Professor, der den schliemanngleichen Schritt schaffte, die Bemaler der attischen Vasen anhand der Augengestaltung oder des Faltenwurfs auseinander zu sortieren.

Bislang ist das Haus im Schnoor ein Ort für Leute, die sich den Beazly zur Hand nehmen – dafür steht er hier auch – und sachkundig blätternd gelehrte Bemerkungen machen. Anders gesagt: In den zwei Jahren seines Bestehens ist das Museum von kaum 1.000 Menschen besucht worden, was man gar nicht auf die Öffnungstage herunterrechnen mag. Immerhin, man bedenke: Neben der Abwehr der Perser in der Schlacht von Marathon gilt die Erfindung der Töpferscheibe als größte Leistung der AthenerInnen, und deren vorzüglichste Erzeugnisse kann man für schmale drei Euro besichtigen – Kinder zahlen die Hälfte.

Die Ausstellung ist auch durchaus jugendfrei: Zwar gibt es einen lüsternen Satyr zu sehen, der die an einen Felsen gelehnte schlafende Mänade „beschleicht“, wie das dazugehörige Texttäfelchen formuliert. Die meisten Bildgeschichten konzentrieren sich jedoch auf die ernsten Teile des Lebens. Zum Beispiel: Herakles besiegt den erymanthischen Eber, während sich Eurystheus aus Furcht in einem Vorratgefäß versteckt.

Live kann man derartig große Töpfereien im Antikenmuseum nicht sehen, obwohl einige der Vasen imposante Ausmaße haben. Höhepunkt der Sammlung ist diesbezüglich die panathenäische Preisamphora, die – damals mit Öl gefüllte – Trophäe der attischen Sportwettkämpfe. Vorn sieht man eine Speer werfende Athena, hinten die rennenden Pokalanwärter. Auch an pseudopanathenäischen Preisamphoren, deren historische Funktion ungeklärt ist, herrscht im Übrigen kein Mangel.

Für die Konzeption engagierte Zimmermann, der selbst über Feuerversicherungen promovierte, den Freiburger Archäologen Matthias Steinhart. Den antiken Alltag bestreiten drei Teilzeit-Mitarbeiterinnen. Bald wollen sie auch mal „Troja“ zeigen.

Infos: www.antikenmuseum.de