LESERINNENBRIEFE :
Geschützte Machtinteressen
■ betr.: „Spanien. 1.000 Euro Strafe für eine Demo“, taz v. 11. 12. 14
offizieller name des gesetzes: gesetz zur sicherheit der bürger. so implantiert sprache ideologien in unseren köpfen. klarname: gesetz zur sicherheit der regierung und der von ihr geschützten machtinteressen. STEPHANIE KIRSCH, Kleinbittersdorf
Frieden und Menschenrechte
■ betr.: „Kein Bückling vor Putin“, taz vom 8. 12. 14
In der gegenwärtigen angespannten Situation ist jeder Appell zu Besonnenheit und Deeskalation, zu diplomatischen Lösungen und grenzüberschreitenden Dialog grundsätzlich richtig und notwendig. Dennoch: Den Aufruf „Nicht in unseren Namen“ halte ich für fahrlässig und arrogant. Dieser Aufruf steht in einer Tradition mit dem Teil der westlichen Friedensbewegung der 1980er Jahre, der während des Kalten Kriegs die poststalinistischen Diktaturen akzeptiert und deren Opfer in Stich gelassen hat. Die grundlegende Erkenntnis innerhalb der unabhängigen DDR-Friedensbewegung war: Frieden und Menschenrechte sind nicht zu trennen. Diese Haltung wurde ebenso in anderen demokratischen Oppositionsbewegungen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs geteilt. Ein Aufruf, der diesen Zusammenhang ganz bewusst ausblendet, ist weder links noch friedensbewegt. Er ist fahrlässig und arrogant.
Fahrlässig, weil hier die aggressive, auf Expansion des eigenen Herrschaftsbereich ausgerichtete Außenpolitik Russlands einfach ignoriert wird. Diese Außenpolitik wird von einer völkischen Ideologie geprägt, die Putin zu einem Partner für europäische rechtspopulistische bis rechtsextremistische Personen, Parteien und Gruppierungen macht. Es ist kein Zufall, dass Russlands Politik auf antisemitischen, verschwörungstheoretischen und sogar nationalsozialistischen Internetseiten wohlwollende Unterstützung findet. Die Ängste der Nachbarstaaten Polen, Estland, Lettland und Litauen nehmen die Unterzeichner des Appells erst gar nicht zur Kenntnis, ebenso wenig wie die gezielte Destabilisierung der Ukraine, der Republik Moldau und Armeniens.
Arrogant, weil hier den Opfern der autoritären Innenpolitik Putins in den Rücken gefallen wird. Hinter den Kulissen seiner außenpolitischen Drohgebärden werden im Landesinneren brutal Meinungsfreiheit und Kritik erstickt. NGOs werden kriminalisiert, Journalisten kaltgestellt, homosexuell Liebende täglichen Repressionen unterworfen. Drogen gebrauchenden Menschen wird Überlebenshilfe verweigert. Wer sich in Russland gegen Rassismus, Antisemitismus und übersteigerten Nationalismus engagiert, ist der Gewalt von Rechtsradikalen oder des Geheimdiensts ausgeliefert. Mit der demokratischen Opposition in den Dialog treten? „Nicht in unseren Namen“ kommt erst gar nicht erst auf die Idee.
Richtig ist, der militärischen Logik muss widersprochen werden. Doch gleichbedeutend bleibt der Grundsatz: Frieden und Menschenrechte sind nicht zu trennen. Wer das Letztere verrät, wird auch Ersteres nicht erlangen. MICHAEL KLEIM, Gera
Vorbild für Politiker
■ betr.: „Es geht nur um Russland“, Interview mit Frank-Walter Steinmeier,taz vom 13. 12. 14
Genau vor 200 Jahren tagte der Wiener Kongress 1814/15 nach den Napoleonischen Kriegen. Die schwerwiegendsten Fragen wurden in direkten Gesprächen diplomatisch abgehandelt. Das Ergebnis war eine lang währende Epoche des Friedens in Europa.
Selbst wenn die Ursachen verschieden sind, wäre das ein Vorbild für die verantwortlichen Politiker zur Deeskalation und Bewältigung der Ukraine-Krise: konkrete Vorschläge, Verhandlungen und Einigung mit den „Separatisten“ über Sonderrechte der Regionen unter Beibehaltung der staatlichen Souveränität. Aufhebung der Sanktionen. Ein realistisches Ziel ist zudem die garantierte und friedensstiftende Neutralität der Ukraine als eine Art Puffer zwischen Ost und West. Das würde auch den politischen und wirtschaftlichen Interessen von Russland, der EU und den USA entsprechen. Vor allem in den deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen besteht bereits eine gegenseitige Abhängigkeit (Interdependenz ) als wichtige Voraussetzung für eine gewaltlose Lösung der Krise.
RUDOLF MITTENDORFER, München
Gefährlicher Konflikt
■ betr.: „Polit-Esoteriker aller Länder, vereinigt euch!“ u. a.,taz vom 15. 12. 14
Ich weiß nicht, was ich sagen soll: Ihre Artikel heute Morgen, Kommentar und Schwerpunkt zur Demo in Berlin, sind an Pauschalisierung und Zuspitzung kaum noch zu überbieten.
Ja, „die Friedensbewegung“, sofern Reste davon über die Jahre noch kontinuierlich gearbeitet haben, tut sich schwer mit dem Ukraine-Konflikt, weil es in dieser Gemengelage nicht so einfach ist, Position zu beziehen und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Eines steht jedoch fest: Dieser Konflikt in Europa und mit Russland ist äußerst gefährlich, einfache Schuldzuweisungen sind für eine Lösung nicht geeignet. Nicht umsonst setzt Herr Steinmeier weiterhin auf Gespräche mit Herrn Putin und ist um Deeskalation bemüht.
Wie wäre es, Debatten in Ihrer Zeitung aufzugreifen und zu fördern, wie jenseits der Kriegslogik und des gegenseitigen Säbelrasselns ein gerechter Interessenausgleich erreicht werden kann?
HILDEGARD DOMBROWE, Darmstadt