Graffiti oder Werbung

Sauber Eine Werbeagentur bietet Hauseigentümern an, Farb-Schmierereien an der Wand kostenlos zu entfernen – im Gegenzug hängt sie dort Plakate auf

■ Die 1.100 öffentlichen Werbeflächen Bremens werden zusammen als Paket ausgeschrieben. Bis Ende vergangenen Jahres wurden diese von der Ströer AG bestückt, die 2004 die ehemals kommunale Deutsche Städte Medien aufgekauft hatte. Diese wiederum hatte seit 1982 einen Vertrag mit der Stadt. 2010 verlor Ströer die Ausschreibung gegen die Telekom-Tochter „Out of Home Media“. Diese zahlt bis zum Jahr 2026 jährlich 3,9 Millionen Euro an Bremen – vier Mal so viel wie Ströer – sowie eine Umsatzbeteiligung von 47 Prozent. eib

„Nervt sie das Graffiti an Ihrer Hauswand?“ fragt derzeit eine Plakatwerbung in Bremen. Die angebotene Lösung: „Graffitireinigung kostenlos, wir reinigen z.B. ihre Fassade und verschönern damit ihr Haus. Im Gegenzug dürfen wir an dieser unsere Plakatrahmen aufhängen.“ Darunter befindet sich die Telefonnummer von Stadtkultur Bremen. Dahinter verbirgt sich nicht etwa der gleichnamige Zusammenschluss der Kulturzentren Lagerhaus und Schlachthof. Sondern eine Tochtergesellschaft der Ströer AG, dem nach Selbsteinschätzung größten Außenwerbe-Unternehmens Deutschlands.

Stadtkultur Bremen vermarktet Werbeflächen für Veranstaltungsanzeigen, etwa in Bahnunterführungen. Das Graffiti-Angebot ist neu – und offenbar wenig durchdacht. So gibt es nach Angaben des Stadtkultur-Geschäftsführers Detlef Bohlig weder eine grundsätzliche Regelung dafür, ob eine Hausbesitzerin eine Werbung ablehnen darf – noch wie lange der 59 mal 84 Zentimeter große Wechselrahmen an einer Hauswand hängen bleibt. „Das muss dann im Detail geklärt werden“, sagt Bohlig. Und dass Graffiti „erfahrungsgemäß immer wieder kommen“ und sich ein Eigentümer überlegen könne, ob er lieber ein Graffito oder Werbung an der Wand hätte. Jedoch: Einen Anspruch auf ein graffitifreies Haus erwirbt man nicht. Das Angebot der Reinigung ist einmalig und bezieht sich nur auf die Stelle, an der der Plakatrahmen hängen soll.

Entsprechend skeptisch reagiert Bernd Richter, Geschäftsführer des Eigentümerverbands Haus und Grund auf die Stadtkultur-Offerte. Unter diesen Umständen könne er Eigentümern nicht dazu raten, die Graffiti-Entfernung auf diese Weise zu finanzieren, sagt Richter. „Der vertragliche Rahmen muss genau definiert sein“, sagt er, schließlich könne der Fall eintreten, dass man das Haus verkaufen wolle. „Graffiti kann ein Wertverlust sein, aber eine Werbetafel auch.“

Nach Angaben von Stadtkultur haben bisher keine zehn Eigentümer ihre Wand hergegeben. Einige Interessenten habe das Unternehmen von sich aus abgelehnt, weil sich die Standorte mangels Publikumsverkehr nicht geeignet hätten, sagt der Geschäftsführer Bohlig. „Die Werbung muss die Reinigung finanzieren.“

Was eine Hauseigentümerin unabhängig von Graffiti-Entfernung für die Vermietung einer Wand verlangen kann, lässt sich nur schätzen und hängt unter anderem vom Standort ab. Als Richtgröße gibt eine andere Agentur 300 Euro jährlich an. eib