: Ein bombensicheres Labyrinth
VERSTECK Jugoslawien baute die Bunker in Tripolis. Ein damals Beteiligter sagt, dass es der Nato schwerfallen wird, den Bau zu knacken
Mehmed K. über den Gaddafi-Bunker
VON ERICH RATHFELDER
SPLIT taz | „Ab Anfang der achtziger Jahre haben wir in Libyen Bunker gebaut,“ erinnert sich Mehmed K.*, ein ehemals hoher Funktionär im sozialistischen Tito-Staat, der im Außenhandel Jugoslawiens tätig war, gegenüber der taz. In einem dieser von Jugoslawien errichteten Bauten unter der Hauptstadt Tripolis könnte sich Muammar al-Gaddafi versteckt halten – in einem vergleichbaren Bunker wie im bosnisch-herzegowinischen Konjic. Den ließ der damalige jugoslawische Staatschef Josip Broz, genannt Tito, in den siebziger Jahren für 6 Milliarden Dollar errichten.
Versteckt zwischen hohen Bergen im Tal der Neretva, ist die einstmals streng geheime, über 6.500 Quadratmeter große Anlage jetzt für Besucher geöffnet. „Bomben“, sagt Mehmed K. mit einem Lächeln, „hätten hier nichts ausrichten können. Nicht einmal Nuklearwaffen.“ Er ist sichtlich stolz darauf. „Wir hatten in Jugoslawien durch den Bau der Bunker in Konjic und Han Pijesak einfach das technische Know-how für den Bau solcher Anlagen.“
Der jetzt in Sarajevo lebende, inzwischen betagte Mehmed K. hielt sich in den achtziger Jahren drei Jahre lang in der libyschen Hauptstadt auf. Noch bis 1990, kurz vor dem Krieg in Jugoslawien, „gingen die Bauarbeiten in Libyen weiter“. Führend waren zwei Firmen – die in Belgrad ansässige Firma „Rad“ und „Bosna“ aus Sarajevo. Mehmed K. war zudem daran beteiligt, Produkte ausländischer Firmen für den Bau der Bunker Gaddafis einzukaufen. So berichtet er, dass Siemens das Belüftungssystem und MAN die Generatoren für die Notstromsysteme geliefert hätten. Schweizerische Firmen seien ebenfalls beteiligt gewesen.
„Bis zum Grünen Platz“
„Die Anlage in Tripolis ist noch weit größer, als es die Bunker in Bosnien und Herzegowina sind,“ sagt Mehmed K. „Gesehen habe ich persönlich bei den Bauarbeiten das Teilstück, das den Palast Gaddafis mit der Geheimdienstzentrale, einem Hotel und dem Grünen Platz verbindet.“ Das Tunnelsystem dürfte jedoch noch viel weitläufiger sein. „Das Gesamtprojekt war ja streng geheim.“ Geheime Gänge sollen unter der ganzen Stadt entlangführen, ein Labyrinth, über das angeblich auch der Flughafen, der Hafen und getarnte Ausgänge an verschiedenen Orten der Stadt erreichbar sind.
Im vergleichbaren Bunker in Konjic sind die einzelnen Teilabschnitte der Tunnel durch zum Teil 40 Zentimeter starke Stahltüren gesichert. Ein Gewirr von Gängen führt zu Schlaf- und Wohnräumen der Mannschaften, die Anlage verfügt über ein eigenes internes Telefonsystem. Sie ist mit der modernsten Technik der damaligen Zeit ausgestattet, abhörsichere Leitungen gehören ebenso dazu wie Sendeanlagen. Im Kern des Bunkers waren die Wohn- und Arbeitsräume Titos untergebracht, die ebenfalls durch Stahltüren gesichert sind. Die Tunnelröhren sollen insgesamt mehrere hundert Kilometer lang sein. Wie in Tripolis führen in der Anlage bei Konjic die Tunnel zu versteckten Ausgängen, in Konjic in die umliegenden Wälder.
„Das unabhängige Versorgungssystem mit Wasser, Luft und elektrischer Energie sowie mit den gebunkerten Lebensmitteln erlaubten es, 350 Menschen über ein halbes Jahr zu versorgen,“ erklärte Mehmed K. kürzlich bei einem Besuch des Bunkers in Konjic.
Der unterirdische Komplex in Tripolis dürfte Konjic weit übertreffen und ebenfalls mit der modernsten Technik der Telekommunikation ausgerüstet sein, vermutet Mehmed K. Und noch etwas: „Es gab ja nicht nur Mannschafts- und Diensträume, es gab dort sogar Laboratorien.“ Laboratorien in Tripolis? „Dort wurde Nuklearforschung betrieben, an der auch Wissenschaftler aus Jugoslawien, vor allem aus Serbien, beteiligt waren.“
Erst 2003 wurde das Atomprogramm von Libyen im Gegenzug zu der Aufhebung des Embargos gestoppt. „Und jetzt fragen Sie mal, warum Gaddafi während des Krieges in Bosnien von 1992 bis 1995 den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic unterstützt hat?“ Es sei auch zur militärischen Zusammenarbeit gekommen. Serbien habe libysche Piloten ausgebildet und Waffen an Gaddafi geliefert. „Das haben die westlichen Staaten Frankreich, Italien und andere allerdings auch getan.“
Serbische Militärberater
Noch vor einem Jahr sei eine serbische Delegation nach Tripolis gereist. Und sogar jetzt noch sollen sich zwei serbische Militärberater bei Gaddafi aufhalten. Dies habe ihm ein hoher libyscher Diplomat, der sich gerade abgesetzt hat, erst an diesem Donnerstag mitgeteilt. Die atombombensicheren Bunker Libyens sind nicht leicht zu knacken. Ob dies die Aufständischen allein schaffen, ist mit Blick auf die bosnischen Anlagen unwahrscheinlich. „Die Aufständischen brauchen die Hilfe von Spezialisten der Nato, und selbst denen wird es nicht leichtfallen, die Bunker zu zerstören“, glaubt Mehmed K. aus Sarajevo.
* Name geändert