Genauer Beobachter und Chronist

In der bisher umfangreichsten Retrospektive sind im Oktober 14 Arbeiten des taiwanesischen Filmemachers Hou Hsiao-Hsien zu sehen. Heute Abend läuft als Preview „Three Times“ – in Anwesenheit des Regisseurs

Einen „der wichtigsten Vertreter der taiwanesischen Nouvelle Vague der 80er Jahre“ hat das Internationale Filmfestival von Locarno vor einer Woche mit seinem prestigeträchtigen „Ehrenleopard“ ausgezeichnet. Damit stellt es den Filmemacher Hou Hsiao-Hsien in eine Reihe mit so bedeutenden Autorenfilmern wie Bernardo Bertolucci, Jean-Luc Godard, Ken Loach, Terry Gilliam und Wim Wenders. Für den renommierten Filmkritiker Jonathan Rosenbaum ist der 1947 im Süden Chinas geborene und in Taiwan aufgewachsene Mitbegründer der Anfang der 80er international für Furore sorgenden taiwanesischen Filmbewegung ohnehin „Asiens größter lebender Meister“. Sein Kollege Jonathan Hoberman sieht in ihm gar den „größten lebenden narrativen Filmemacher“.

Bisher waren Hous Filme fast ausschließlich dem Publikum von Festivals vorbehalten. Nun widmet sich eine in Berlin, Leipzig und im Oktober in Hamburg zu sehende Retrospektive – die bislang umfassendste in Deutschland – dem buchstäblich unzugänglichen Werk. Neben Olivier Assayas Dokumentarfilm „HHH“, der Einblicke in die Arbeitsweise des 60-Jährigen gibt, sind 14 Filme des wichtigsten cineastischen Chronisten der taiwanesischen Geschichte und genauen Beobachters modernen Großstadtlebens zu sehen. Darunter Meisterwerke wie „Stadt der Traurigkeit“ von 1989, „Millenium Mambo“ von 2001 – und „Three Times“ aus dem Jahr 2005.

Dieser allerdings ist in Hamburg schon heute Abend zu sehen – in Anwesenheit des Regisseurs. Drei je vierzig Minuten lange Segmente erzählen die Geschichte dreier Liebespaare zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten. Immer wird dieses Paar dabei von denselben Schauspielern gespielt – Shu Qi und Cheng Chang. Jede der Geschichten beschäftigt sich mit einer anderen Zeit und ihren sozialen Konventionen – und jede findet eine andere Form der Liebe.

Im ersten, fast wortlosen Segment, „A Time for Love“, ist die Liebe der beiden zugleich unschuldig und unerfüllt. Im Jahr 1966 fühlt sich der junge Soldat Chen, regelmäßiger Besucher einer Billardhalle, zu einem der dort arbeitenden Mädchen hingezogen. Seine Liebesbriefe aber erreichen nicht die Angebetete. May, eines der neuen Mädchen, fängt sie ab – und wird langsam für Chen das neue Objekt der Begierde. Doch immer wieder beginnt sie in einer anderen Billardhalle zu arbeiten. Und immer wieder macht er sich auf, sie zu finden.

„A Time for Freedom“, die zweite Geschichte, erzählt von der Beziehung zwischen der Kurtisane Ah Mei und ihrem regelmäßigen Besucher Mr. Chang im Jahr 1911. Der, eingenommen von den Turbulenzen der Zeit – in Wuchang beginnt der Aufstand gegen die Zentralregierung – hat nur zwischendurch Zeit für die Liebe und kurze philantropische Unternehmungen.

Das dritte Segment, „A Time for Youth“, versetzt uns schließlich in das Taipeh der Gegenwart. Die epileptische Rocksängerin Jing hat eine Affäre mit dem Möchtegern-Kunstfotografen Zhen. Beide aber haben daneben auch andere Affären. Unfähigkeit zu kommunizieren und selbstsüchtiges Verhalten führen beide zu einer leeren Existenz. ROBERT MATTHIES

Do, 18. 30 Uhr, Metropolis, Dammtorstraße 30a. Die anderen Filme laufen im Oktober.