: Ohne Vorwarnung
FRANKFURT/MAIN ap/afp/taz Nach dem gerichtlichen Streikverbot bei Güter- und Fernverkehr der Deutschen Bahn hat die Lokführer-Gewerkschaft GDL eine schärfere Gangart in dem Tarifkonflikt angekündigt. Im Personenverkehr werde es bei Arbeitskampfmaßnahmen in Zukunft keine Vorwarnzeit mehr geben, sagte der GDL-Vorsitzende Manfred Schell gestern in Frankfurt am Main.
Damit reagiere die Gewerkschaft auf das Verhalten von Bahn-Personalvorstand Margret Suckale, die ihm bei einem Telefongespräch noch am Mittwochmorgen nichts von dem Antrag der Deutschen Bahn beim Arbeitsgericht Nürnberg gesagt habe. Die Bahn habe damit das Gebot der gegenseitigen Fairness verletzt. Dass das Gericht die GDL nicht gehört habe, müsse hingenommen werden. Die Erwartung, dass die Deutsche Bahn ihre „Prozesshanselei“ fortsetzen werde, habe sich bestätigt.
Das Nürnberger Arbeitsgericht wird am Freitag über den Widerspruch der GDL zum Streikverbot verhandeln. Bis zur Entscheidung werde die Gewerkschaft die ursprünglich für heute angekündigten Arbeitsniederlegungen im Güterverkehr aussetzen, sagte Manfred Schell. Einen nach der derzeitigen Rechtslage im größten Teil Deutschlands möglichen Streik im Regionalverkehr schloss Schell jedoch vorerst aus. Denn dazu sei eine Vorlaufzeit von mindestens zwölf Stunden nötig.
Grundsätzlich hält die GDL das vom Arbeitsgericht Nürnberg per einstweilige Verfügung verhängte Streikverbot für verfassungswidrig, wie Schell betonte. Es sei nicht vorstellbar, dass ein deutsches Gericht einer Gewerkschaft das grundgesetzlich geschützte Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen versagen könne. Daher habe die GDL noch am Vormittag Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Das Arbeitsgericht Nürnberg hatte seine einstweilige Verfügung damit begründet, dass der gesamten Volkswirtschaft immense Schäden drohten, außerdem Hauptreisezeit sei und der Arbeitskampf weitere unabsehbare Folgen haben könnte, die nicht rückgängig gemacht werden könnten. Bei Zuwiderhandlung drohen der GDL 250.000 Euro Ordnungsgeld oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für GDL-Chef Schell. Sollte das Streikverbot aufrechterhalten werden, werde sich die GDL in der Berufung an das Landesarbeitsgericht Nürnberg wenden, kündigte Schell an. Nötigenfalls werde auch das Bundesverfassungsgericht als nächsthöhere Instanz angerufen. Ein solches Verfahren würde aber Stillstand bedeuten, weil es zwei bis drei Monate dauern würde, erklärte Schell.
Der GDL-Chef äußerte sich erneut positiv zur Einsetzung eines unabhängigen Vermittlers, „der die Wogen etwas glättet“. Die Gewerkschaft werde selbst schauen, wen sie vorschlagen werde, sagte Schell und nannte den früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler als möglichen Kandidaten.
Bei der konkurrierenden Gewerkschaft Transnet ist das gerichtliche Streikverbot auf Kritik gestoßen. Transnet-Chef Norbert Hansen sagte gestern der Deutschen Welle: „Wir halten nichts davon, dass die Fragen des Streikrechts über Gerichte geklärt werden.“ Das störe die Tarifautonomie und die Sozialpartnerschaft in Deutschland.
Von der zum deutschen Beamtenbund gehörenden GDBA hieß es, man werde sich „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wehren“, das Streikrecht in Deutschland gesetzlich zu beschneiden“.