urdrüs wahre kolumne
: Für Tempolimit 6 km/h

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, respektiert stets das Alter – wenn es sich denn auch zu sich bekennt.

Kein noch so kurzer Stopp in Hamburg ohne einen Besuch in der Fischbratküche von Daniel Wischer, auch wenn diese nach der Renovierung etwas vom vertrauten Charme einer Wismarer HO-Gaststätte verloren und die früher so sympathisch-ruppige Bedienung sich dem zeitgemäßen Ungeist der allzeit lächelnden Freundlichkeit angeschlossen hat. Beim Warten auf das obligatorische Fischfilet mit Kartoffelsalat und Fassbrause fragt mich meine Tischnachbarin, ob ich nicht etwas von ihrer Portion Salat haben wolle: „Ich hab’ ja gemerkt, dass Sie keine bestellt haben, kost’ ja alles extra. Sie können gern die Hälfte von mir abbekommen!“ Diese Dame zeigte mehr Verständnis für den möglicherweise darbenden Teil der Menschheit als Hamburgs CDU-Sozialstaatsrat, der Alleinerziehende und Hartz-IV-Familien verhöhnt, indem er für die Nudel- und Ketchup-Mast in Armutshaushalten „mangelnde Motivation und Kompetenz der Eltern“ als Ursache ausmacht. Wer schon nichts ändern kann oder will am Elend, der soll die Schnauze halten oder, lieber noch, gestopft bekommen …

Wann immer ich mich als konventioneller Fußgänger dem quicken Lindwurm der Inline-Horden in den so genannten Bremer Skaternächten ausgeliefert sehe, überfällt mich heiliger Zorn ob dieser Demonstration unbändigen Jugendwahns, in dem auch 60- und 70-jährige Dölmer im ebenso vergeblichen wie lächerlichen Bemühen mitrollen, den Zeichen der Vergänglichkeit zu entfliehen. Dass die Skaternacht in dieser Woche weitgehend dem Starkregen zum Opfer fiel, belegt exemplarisch, dass ER und Freund Hein sich von den Knieschutz-Desperados nicht länger ins Handwerk pfuschen lassen wollen. Das Problem der überhöhten Geschwindigkeit beginnt schließlich außerhalb der Schienenwege bereits bei 6 km/h!

Weit davon entfernt, in Scientology etwas anderes zu sehen als ein grotesk zusammengeflicktes Konstrukt geschäftstüchtiger Bauernfängerei, sehe ich im Geschrei nach einem Verbot nichts anderes als den Versuch, unerwünschte Konkurrenz vom Markt zu nehmen. Das Problem dürfte sein, dass Frau Caberta und Kollegen den Science-Fiction-Stuss der Hubbard-Schüler im Hinterstübchen irgendwo glauben und damit auch deren Allmacht fürchten – falls das nicht nur im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms für Ausstiegshelfer strapaziert wird.

Bei dieser Gelegenheit fällt mir auch noch ein, dass ich es vom Erzbistum Hamburg ziemlich mutig finde, demnächst den 100. Geburtstag von Astrid Lindgren gemeinsam mit Schulsenatorin Alexandra Dinges-Dierig zu feiern, denn dieser Name dürfte ja wohl die wortwörtliche Übersetzung von Fräulein Prüsselise sein, jener universellen Kinderfürsorgerin, die von Pippi Langstrumpf in so vorbildlicher Weise zur Schnecke gemacht wird.

Dass auch der harte Rock’n’Roll nicht mehr ist, was er mal war, brachte anlässlich der jüngsten Heavy-Metal-Schlacht von Wacken ein Mitarbeiter der schleswig-holsteinischen Security Crew mit diesen Worten zum Ausdruck: „Es war so friedlich wie auf einem Kirchentag!“ Selbst bei den wildesten Mopedgangs singt man daher neuerdings auch immer das schöne alte Lied „Dank/für diesen schönen Morgen“, vermutet jedenfalls ULRICH „Gottlieb“ REINEKING