: Vor verschlossenen Kaufhaustüren
Im Tarifkonflikt des Hamburger Einzelhandels wurden gestern alle acht Karstadt-Häuser bestreikt. 700 Beschäftigte waren im Ausstand, geöffnet wurde verspätet und nur mit Notbesatzung. Heute soll weiter gestreikt werden
Betretene Gesichter bei den Personalverantwortlichen von Alsterhaus und Karstadt-Mönckebergstraße gestern früh: „Dann ist das eben so“, sagt Gerhard Käse, Personalchef der Karstadt-Filiale, als er gestern früh vor dem Personaleingang die Schar von VerkäuferInnen passiert. Diese sind gerade dabei, sich ihre Plastik-Überwürfe mit der Aufschrift: „Streik – Verdi“ anzuziehen. Kurz darauf hängen Schilder an den gläsernen Eingangstüren: „Unser Haus wird bestreikt.“ An den Türen des Alsterhauses prangte derweil Provokantes: Der Zugang sei leider nicht möglich, da die Gewerkschaft Verdi zum Warnstreik aufgerufen habe, „um die Kunden für ihre gewerkschaftlichen Ziele einzubeziehen“.
Im Tarifkonflikt des Einzelhandels hat die Gewerkschaft Verdi gestern alle acht Hamburger Kaufhäuser des Karstadt-Konzerns bestreikt. Zum Alsterhaus war eigens der bereits verrentete Streikveteran und frühere Verdi-Verhandlungsführer im Bund Hinrich Feddersen gekommen, um den streikenden Mitarbeitern nochmals die Bedeutung des Arbeitskampfes klarzumachen. Nicht nur um mehr Geld gehe es – Verdi fordert fünf Prozent. Sondern auch um den Erhalt von Spät- und Nachtzuschlägen, „die wir vor Jahren erkämpft haben“, sagte Feddersen. Es sei eine „Schweinerei“, dass die Einzelhändler auf die Streichung beharrten, „weil sich sonst der längere Ladenschluss nicht rechnet“.
Auch Brigitte Nienhaus, Verdi-Fachsekretärin für den Einzelhandel, erklärte vor den Versammelten, nach den wochenlangen Streiks in Supermarktketten und SB-Warenmärkten „sind nun die Kaufhäuser dran – gestern Kaufhof, heute Karstadt“. Der Karstadt-Konzern, so Nienhaus spiele im „Arbeitgeberlager eine bedeutende Rolle“. Daher müsse der Druck erhöht werden, wenn die Sondierungsgespräche auf Bundesebene in der nächsten Woche zum Erfolg führen sollten.
Gegen 11 Uhr war auch die zweite Schicht des gerade mit einer Notbesetzung geöffneten Alsterhauses abgefangen worden. Rund 120 VerkäuferInnen zogen vom Jungfernstieg zur Mönckebergstraße, „um die Karstadt-Kollegen abzuholen“. Danach ging es durch die Spitalerstraße zur ebenfalls bestreikten Thalia-Buchhandlung und dem Karstadt-Sporthaus. Schließlich endete der Umzug im Gewerkschaftshaus a, Besenbinderhof, wo sich bis zum Mittag 700 Karstadt-MitarbeiterInnen versammelten.
„Es macht uns richtig stolz, dass sich über 80 Prozent der Tagesbelegschaften am Streik beteiligt haben“, sagt Ulrich Meinecke, Verdi-Verhandlungsführer in Hamburg über die Beteiligung an dem gestrigen Streik. Um das Signal an die Arbeitgeber noch eindeutiger zu machen, hätten sich Beschäftigten spontan entschlossen, auch heute zu streiken. Die Gewerkschaft hoffe, so Meinecke,dass „dieses Zeichen in Richtung Arbeitgeber die Sondierungsgespräche nächste Woche positiv unterstützt“.KAI VON APPEN