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Archiv-Artikel

Lauter nette Gesten

FLÜCHTLINGE In Köpenick sind die ersten 30 Bewohner in ein neues Containerdorf gezogen. Viele Anwohner heißen sie willkommen – andere nicht. Proteste bleiben aber bisher aus

Heimleiter Peter Herrmanns führt einigermaßen stolz durch das Gebäude

VON SUSANNE MEMARNIA

Das erste Containerdorf steht. In der Wintersonne leuchten die blau-rot-gelben Fassaden der Wohnwürfel, die zu zwei dreistöckigen Gebäuden gestapelt sind. Die Wege sind gefrorener Matsch, Bauzäune verhindern einen Rundgang um das pinienbestandene Grundstück, das zwischen einer Kita und einem Seniorenheim am Ende der Plattenbausiedlung Allende II liegt, am Ende der Straße, wo der Wald beginnt. Handwerkerlärm tönt aus einem Haus. Dennoch sollten die ersten 30 Flüchtlinge in wenigen Stunden in die Köpenicker Unterkunft einziehen. „Wir fangen erst mal klein an“, sagt Heimleiter Peter Herrmanns am Samstagmittag bei einem Presserundgang. „Das ist auch für die Bevölkerung nicht gut, wenn alle 400 auf einmal kommen.“

Seit Sozialsenator Mario Czaja (CDU) im August verkündete, das für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) werde sechs Containerdörfer für insgesamt 2.200 Flüchtlinge bauen, wird über die Qualität solcher Unterkünfte und die ausgewählten Standorte diskutiert. Auch in Köpenick gab es Anwohnerproteste gegen die neuen Nachbarn. Zwei der Unzufriedenen, mittelalte Männer in grünen Armeejacken und Jeans, stehen auf der anderen Straßenseite neben der Schule und schauen missmutig herüber. „Eigentlich sollte da eine Turnhalle hin, aber dafür ist jetzt kein Geld mehr da“, beschwert sich der eine. „Dabei haben die Politiker einen Schwur geleistet, allen Schaden von uns abzuwenden.“ Worin der Schaden besteht, ist für ihn keine Frage: Die „Asylanten“, wie er sagt, brächten Lärm, Gewalt und Kriminalität.

Drinnen führt Heimleiter Herrmanns einigermaßen stolz die Journalisten durch das Erdgeschoss des hinteren Gebäudes, die einzige fertige Etage. Von einem langen Flur gehen rechts und links die Räume ab: Zweibettzimmer reiht sich an Zweibettzimmer, manche mit Verbindungstür für Familien, alles neu eingerichtet mit Betten, Tisch, zwei Stühlen. Es gibt Dusch- und Toilettenräume und eine Gemeinschaftsküche. Die aufgereihten Lebensmittel seien Spenden aus der Nachbarschaft, erklärt Herrmanns. Überhaupt seien die Anwohner sehr aufgeschlossen, betont der Heimleiter. „Der neu gegründete Verein ‚Allende-II hilft‘ unterstützt uns sensationell.“ Viele Spenden habe man bekommen, Ehrenamtliche wollten Deutschkurse anbieten und sich um den Garten kümmern.

Als erster Willkommensgruß liegt ein Tütchen mit Plätzchen auf jedem Bett: „Die hat das Seniorenheim nebenan gebacken.“ Und die Stofftiere auf den Kinderbetten habe ein SPD-Abgeordneter gespendet. Dass es noch keine Spielzimmer für die Kinder und keine Gemeinschaftsräume für die Erwachsenen gibt, weil die in dem Gebäude liegen, das noch nicht fertig ist, ist für den Heimleiter kein Problem.

Der Betreiber – Internationaler Bund – habe zwei Erzieher und sieben Sozialarbeiter eingestellt, „die sind schon im Einsatz“. Für die älteren Kinder hätten sie Plätze in der Grund- und Oberschule gegenüber besorgt, die Kita-Kinder würden erst einmal im Heim betreut. „Wir werden schon für Programm sorgen in der Umgebung“, sagt Herrmanns.

LaGeSo-Chef Franz Allert, der dem Rundgang beiwohnt, zeigt sich beeindruckt: „Ich glaube, dass die Flüchtlinge sich hier wohlfühlen werden, weil sie willkommen geheißen werden – von den Menschen, die hier arbeiten, wie von jenen, die hier in der Gegend leben.“

Die beiden missmutigen Männer von der anderen Straßenseite lachen beim Stichwort „Willkommen“ nur höhnisch auf. „Von den 8.000 Menschen, die hier wohnen, backen vielleicht 100 Plätzchen!“