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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Vom Täter zum Helfer?

■ betr.: „Die Angst der Frauen in Afghanistan“, taz vom 9. 9. 11

Nun haben die Frauen in Afghanistan Angst, dass die Taliban und ihre Unterdrückung und Misshandlung von Frauen wiederkehren, wenn die US-Amerikaner abziehen. Und diese Angst lässt sich gut für die Propagierung einer endlosen Fortführung des Krieges dort mit all seinen schrecklichen Folgen und Auswüchsen benutzen.

Hat man eigentlich die Geschichte der Entstehung der Taliban und ihrer Herrschaft bereits wieder vergessen? Es ist doch wohl kein Geheimnis mehr, dass sie ein Produkt des US-Geheimdienstes CIA, des pakistanischen Geheimdienstes und der wahhabitischen saudischen Monarchie sind und diese drei auch erhebliche Verantwortung dafür tragen, dass die Taliban die Herrschaft über Afghanistan erringen konnten.

Die Tragik der afghanischen Frauen besteht nun darin, dass sie den Verursacher ihrer Lage um Hilfe bitten müssen. Hoffentlich wissen sie auch, dass die USA nicht zum ersten Mal – wie in Vietnam – ihre Verbündeten im Stich gelassen haben, um ihre eigene Haut zu retten! Wenn es ein Trost wäre, könnte man sie damit trösten, dass die USA so schnell kein Land aus ihren Fängen lassen, in dem sie einmal die Kontrolle gewonnen haben. LUDWIG SCHÖNENBACH, Bremen

Zivilisten zerfetzt und verbrannt

■ betr.: „Die Profiteure von 9/11“, taz vom 10./11. 9. 11

Bei allem Mitgefühl für alle Betroffenen des Twin-Tower-Massakers einschließlich der Hinterbliebenen, bei allem Respekt für die Rache der USA an Bin Laden, bei all meiner Verehrung für die amerikanische Kultur, die – siehe Michael Moore – oft auch eine bewundernswert selbstkritische war: Die „political correctness“ gebietet daran zu erinnern, dass die USA allein durch Flächenbombardements im vergangenen Jahrhundert ein Vieltausendfaches an Zivilisten verstümmelten, zerfetzten, verbrannten und erstickten – darunter ungezählte Greise, Frauen, Kinder und Babys.

Die Bewertungen und Gewichtungen in der weltweiten öffentlichen Erinnerungskultur und Berichterstattung sind einfach nicht stimmig. Unkle Sam dominiert die Propaganda, die entsprechenden Präsidenten und ihre Sicherheitsberater werden nicht in Den Haag angeklagt, Kissinger erhielt den Friedensnobelpreis. Welch kleine Charge ist in diesem Vergleich doch der jetzt als Sündenbock gejagte Gaddafi, in dessen Verließen die USA vor Kurzem noch foltern ließen! ALBRECHT THÖNE, Schwalmstadt

Mord ohne Motiv und Leiche

■ betr.: „Zwei Terrorverdächtige in Berlin festgenommen“, taz vom 9. 9. 11

Wenn ich den Artikel recht verstanden habe, entspricht dieser Kriminalfall einem Mord ohne Hintermänner, ohne Motiv und vor allem ohne Leiche. Hätte da nicht der kürzlich verblichene Loriot wegen der Morddrohung am Ende seiner Eheszene mit dem Frühstücksei auch festgenommen werden müssen? Und wären da nicht pauschal alle Chemiker, zumal promovierte, auf „Vorrat“ zumindest vom Verfassungsschutz zu beobachten? ORTWIN ZEITLINGER, Berlin

Spießer mit Ressentiment

■ betr.: „Heirat kann den Job kosten“, taz vom 9. 9. 11

Wer, wie katholische Arbeitgeber, im Privatleben seiner Angestellten herumschnüffelt, mag das katholische Kirchenrecht auf seiner Seite haben: Ein Spießer mit Ressentiment bleibt er allemal. Insofern ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes eine höfliche Klatsche für jene doppelbödige katholische Parallelgesellschaft, die im Rahmen der Islamophobie gerne und großzügig übersehen wird. Dem Chefarzt, der sein neues Glück per Eheschließung öffentlich macht, wird gekündigt. „Mein Gott, hätte er’s doch bei einer inoffiziellen Affäre belassen“, hört man das leise Seufzen in den Ordinariaten, „was wir nicht wissen, weiß höchstens der liebe Gott!“

Die Leiterin einer katholischen Privatschule im Bistum Mainz plauderte ganz offen aus: „Wenn es um Wiederverheiratung im Kollegium geht, ist das kein Grund zur Sorge: Wir bekommen die erste Ehe vorm Ehegericht des Bistums schon annuliert.“ Diese Chance der nachträglichen Tilgung eines ganzen Lebensabschnitts nutzte der Chefarzt aus Düsseldorf offenkundig nicht: Er wählte den direkten Weg und nicht die katholisch sanktionierte krumme Tour. Dass ihm daraus ein Strick gedreht wurde, an welchem nun nicht er selbst, sondern das katholische Arbeitsrecht baumelt, entbehrt nicht der Komik. CHRISTIAN KÖNIG, Frankfurt am Main