Jede Menge Grund zum Meckern

Zum Gefallen seines Trainers tut sich der THW Kiel zum Auftakt der Handball-Bundesliga zunächst schwer, die biederen Gäste aus Melsungen zu besiegen. Der Kieler Chef ist nämlich sozusagen der Vater der Euphoriebremse

Wenn Noka Serdarušić, Trainer des THW Kiel, eines ganz und gar nicht mag, dann sind es Aussagen, wonach seine Mannschaft übermächtig sei. So gesehen war der Sonnabend für den 56 Jahre alten Trophäensammler, der beim „FC Bayern des Handballs“ in seine 15. Saison geht, ein ziemlich perfekter Tag. Seine Mannschaft hatte vor 10.250 Zuschauern in der ausverkauften Kieler Ostseehalle in der ersten Begegnung der neuen Serie die MT Melsungen zwar sehr deutlich mit 39 : 28 (19 : 17) bezwungen. Doch ihm war noch so herrlich viel Spielraum übrig geblieben, um snach der Partie die Stirn in Furchen zu legen, skeptisch bis leicht mürrisch in die Kameras zu blinzeln und in herzlich-schroffer Stimmlage zu versichern, dass sich der THW Kiel mitnichten nur die Meisterschale abholen müsse.

Flugs verwies er auf die Leistung seines Teams in der ersten Halbzeit. Die war in der Tat recht grausam, gemessen an den hohen Ansprüchen der Kieler. „Melsungen hat es so ruhig aufgezogen und bei uns das Pfeffer aus dem Spiel genommen, dass meine Jungs beinahe ins Stehen gekommen sind. Nach der Pause waren wir wesentlich schneller und bissiger“, sagte Serdarušić. Erst in der zweiten Hälfte deuteten die „Zebras“ ihre Klasse an und boten ansatzweise Traumhandball. Eine bessere Mannschaft, als es die „graue Maus“ Melsungen ist, hätte aber sicherlich eine exzellente Chance gehabt, den THW zu düpieren.

Vor diesem Hintergrund sah sich Serdarušić darin bestätigt, dass die Saison und damit auch ihm nicht langweilig werden könnte. Nach 14 Jahren in Kiel, nach dem Gewinn von allen zu erreichenden Titeln, muss sich auch Serdarušić jedes Jahr neue Anreize setzen. Im vergangenen Jahr war es noch der Triumph in der Champions League und die „interessante Aufgabe“, aus vielen neuen Spielern ein Team zu bilden. Die Champions League ist gewonnen. Dieses Mal bezieht der Mann aus der Herzegowina seine Motivation zu einem großen Teil auch aus der personellen Notlage in den vergangenen Wochen: „So eine schlechte Vorbereitung habe ich noch nie erlebt. Wir hatten so viele verletzte Spieler“, klagte Serdarušić.

Von diesen Schwierigkeiten war am Dienstag allerdings nichts zu sehen gewesen. Der Meister THW Kiel hatte im Supercup-Spiel in München den DHB-Pokalfinalsten SG Kronau-Östringen mit einem 41 : 31 gedemütigt. SG-Manager Thorsten Storm sprach nach dem Spiel davon, dass Kiel in dieser Saison unbezwingbar sei. Unfug sei das, sagte Serdarušić zwei Tage später im Handball-Talk in Kiel. „Da kommt ein toller ehemaliger Flensburg-Manager daher und fragt: ‚Wer soll die schlagen?‘ Das ist doch dummes Gerede“, meinte er. „Es gibt in Europa zehn Vereine, die über eine ähnlich tolle Mannschaft verfügen wie wir.“ Und überhaupt, es könnte im Verlauf einer Saison so viel passieren, und der Gewinn des Triples aus Champions League, Meisterschaft und DHB-Pokalsieg sei ohnehin nicht programmierbar. „Was wir im letzten Jahr erreicht haben, hätte doch keine Sau geglaubt“, sagte Serdarušić. Den Erfolg müsse man sich eben hart erarbeiten, der falle auch dem THW nicht zu. „Handball ist kein Nonnenballett. Wer im Sprint keinen Schubs verträgt, wird sein Ziel nicht erreichen.“ Gegen Melsungen gerieten die „Zebras“ jedenfalls noch nicht von ihrem Weg ab. CHRISTIAN GÖRTZEN