nebensachen aus paris : Satte Rechnung oder Neue Fahrradfreiheit an der Seine
„Der Sommerhit des Jahres“, schwärmt Thierry, „ideal zum Flirten.“ Du verlässt ein bisschen angetüdelt das Bistro; wartest mit Gleichgesinnten in der Schlange; debattierst über Sattelhöhen und Beinlängen; verteilst Routentipps – das sind schon einige Anknüpfungspunkte. Ganz zu schweigen von den vielen kleinen Pannen, die es unterwegs zu bewältigen gilt.
Paris ist wie geschaffen zum Radfahren: kurze Entfernungen, geringe Höhenunterschiede und ein mildes Klima. In den letzten Jahren hat die Stadtverwaltung mit neuen Radwegen Anreize geschaffen. Doch das änderte wenig. Aggressive AutofahrerInnen, Smog, Rekorde beim Fahrradklau und die Trägheit der PariserInnen verhinderten, dass sich das Zweirad durchsetzen konnte.
Im Juli kamen die neuen Räder. Erst 10.000. Schon bald sollen es 20.000 sein. In 300 Meter Entfernung voneinander sind Mietstationen über die Stadt verteilt. Schönheiten auf den ersten Blick sind die Räder nicht: Ihre Farbe ist mausgrau, ihre Form breit. Sie haben nur drei Gänge. Und sind 23 Kilogramm schwer. Aber sie tragen zwei zentrale Stichworte im Namen: „Freiheit“ und „Fahrrad“: Vélib. Und ihre Einführung ist von einer Kampagne begleitet, der niemand entkommen kann.
Binnen eines Sommers verändern die Vélibs das Stadtbild. Paris ist jetzt eine Zweiradmetropole. Stellenweise wird das Radgeklingel lauter als das Hupen. Auf den Radwegen sind mehrheitlich Vélibs unterwegs.
Mein Freundin Agnès und ich wollen die neue Radfreiheit testen. Wir starten im Marais. Sie hat Vélib Nummer 13 im Auge, ich Nummer 10. Ein Amerikaner erklärt uns, wie wir mit den Monatskarten der Pariser Verkehrsbetriebe ein Abonnement lösen können. Unsere Kreditkartennummern schieben wir ebenfalls in den Apparat.
Beim Losradeln merken wir, dass unsere Sattel viel zu hoch sind. Der von Agnés lässt sich problemlos verstellen, meiner klemmt. Zum Glück gehören wir jetzt zu der Gemeinschaft der Vélib-RadlerInnen. Mehrere versuchen sich an meinem Sattel.
Dann peilen wir die Vélib-Station an der Bastille an. Schließlich wirbt das Unternehmen, das die städtische Lizenz für die 20.000 Vélibs bekommen hat, damit, dass die Geräte immer in Schuss sind und jederzeit ausgetauscht werden können. Wir loggen das Vélib mit dem hohen Sattel ein, um ein anderes zu holen.
Der Computer kapiert das nicht. Er teilt mit, dass ich ein Vélib habe und kein zweites brauche. Ein Notruf bei der Zentrale der Mietstation am späten Freitagabend führt ins Leere. Hinter uns wächst eine Schlange von Menschen, die Vélibs mieten oder zurückgeben wollen. Manche witzeln über die Wartezeit.
„Das wird aber teuer für uns alle“, platzt jemand in die Feststimmung. Als er von den tickenden Zählern spricht, glauben ihm nicht alle. Dann erwähnt er einen Kontoauszug nach einer Vélib-Exkursion: 50 Euro für eine lange Tour durch Paris – inklusive Diner-Pause. Plötzlich ändert sich die Stimmung. Manche machen sich auf den Weg zur nächsten Mietstation. Andere rütteln an meinem offensichtlich schlecht angedockten Vélib. Am Ende tippt jemand ein paar Nummern in den Bildschirm. Der Computer kapiert endlich. Agnès und ich beenden unsere Tour vorzeitig. Das letzte Stück unseres Weges legen wir zu Fuß zurück. Für die Unterhaltung ist das besser. Billiger ist es auch. DOROTHEA HAHN