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Archiv-Artikel

„Spuren vernichtet“

SCHULD Das Finanzamt organisierte während des NS die Arisierung. Übrig blieben nur wenige Papiere

Von jpb
Gundula Rentrop

■ Museumspädagogin und Kuratorin im Haus des Reiches, dem Sitz der Bremer Finanzverwaltung.

taz: Frau Rentrop, welche Beteiligung hatte das Bremer Finanzamt an der Judenverfolgung?

Gundula Rentrop: Die Steuerpolitik wurde ab 1933 nach „nationalsozialistischer Weltanschauung“ ausgelegt.

Was hat das bedeutet?

Zum Beispiel bekamen jüdische Kinder keine Kinderfreibeträge mehr und jüdische Vereine keine Befreiung von der Steuer. Dann hat man Sondersteuern für Juden ersonnen, etwa die „Judenvermögensabgabe“. Es gab auch die „Reichsfluchtsteuer“, für alle, die auswandern wollten. Man hat darauf geachtet, dass sie zwar gehen, aber nichts mitnehmen.

Ab wann wurde die Geschichte des Finanzamts aufgearbeitet?

2011 kam ein Kontakt zu Jaromír Balcar von der Uni Bremen zustande, der sich auf Unternehmensgeschichte spezialisiert hat. Eine erste Ausstellung gab es zum Thema aber bereits 2001 in der Villa Ichon, die von der Landeszentrale für politische Bildung und Studenten der Uni Bremen organisiert wurde.

Warum wurde erst so spät damit begonnen?

Die Akten unterlagen dem Steuergeheimnis und sind erst Mitte der 1990er-Jahre freigegeben worden. Und in der Finanzverwaltung wurde, kurz bevor die Amerikaner kamen, alles verbrannt. Die Spuren wurden vernichtet. Allerdings haben sich die Amerikaner später einen Bericht erstellen lassen. Wir arbeiten weiter daran. In der aktuellen Sonderausstellung geht es um die Ausplünderung und spätere Verwertung.

Die wurde vom Finanzamt organisiert?

Richtig. Als die Juden vertrieben waren, blieben nur ihre Sachen – Möbel, Bettwäsche, Kinderwägen. All das wurde im Auftrag des Finanzamts versteigert, zu sehr günstigen Preisen. Die Einnahmen gingen an den bremischen Staat. Aus zunächst 7.000 Reichsmark wurden 1942 dann 185.000 Reichsmark, danach kam nichts mehr, weil alle Juden weg waren.

Heute wollen Sie mit LehrerInnen über Möglichkeiten der Vermittlung sprechen. Was sind die Schwierigkeiten?

Was wir zeigen können, ist auf Papier, aber es gibt wenig Objekte. Deshalb wollen wir diskutieren, wie man das den SchülerInnen näher bringen kann. Mein Vorschlag wäre, es auf die heutige Situation von Flüchtlingen zu beziehen.

Wie das?

Es heißt immer, Flüchtlinge brächten nichts mit. Auch die Juden, die damals flohen, wurden deshalb abgewiesen. Sie kamen als Sozialfälle etwa nach Amerika. In unserer Ausstellung können wir die andere Seite zeigen: Den Menschen wurde vor der Flucht alles genommen. Interview: jpb

16 Uhr, Haus des Reiches (ebenso am 19. Januar);

Ausstellung „Ausplündern und Verwalten“: noch bis zum 31. März