: Und keiner sinnt auf Rache
Eine Dokumentation über die Geschichte der RAF-Opfer: „Wer gab euch das Recht zu morden?“ (ARD, 22.45 Uhr)
Verliert einer einen nahen Angehörigen, einen Freund oder Vater beispielsweise, ist dies meist herzzerreißend genug – aber wenn diese Nächsten ermordet wurden, ohne dass man erführe, weshalb diese von Killerkommandos als Opfer ausgesucht wurden, kann die Trauer irre machen. Familienmitglieder von Opfern, die die RAF zu verantworten hat, leiden unter diesem Umstand sehr, zumal die Öffentlichkeit sich durch die Bank für die Täter (und ihre Gründe für die Tötung von Menschen) interessierte, nicht aber für die Braunmühls, Schleyers, für Claudia Groppler, Annemarie Eckhardt, die von Mirachs oder Hillegaarts – die Opfer.
Die Journalistin Anne Siemens hat über die Opfer der RAF im Frühjahr ein Buch veröffentlicht, zusammen mit Henning Rütten hat sie für den NDR einen Dokumentarfilm gefertigt: „Wer gab euch das Recht zu morden?“ ist er betitelt, und er ist gerade in seiner Kühle, in der Präzision, mit der er diese Angehörigen in ihrer Verzweiflung zu Wort kommen lässt, extrem geeignet, der RAF und deren Sympathisanten 30 Jahre nach dem Deutschen Herbst ein wenig von dem Raum zu nehmen, der es ihnen ermöglicht, sich als die zum Guten oder Besten Motivierten darzustellen.
Das Verblüffende ist: Niemand unter den Angehörigen sinnt auf Rache, auf Vergeltung, auf drakonische Bestrafung. Hanns-Eberhard Schleyer, Sohn des ermordeten Arbeitgeberfunktionärs Hanns Martin Schleyer, erzählt, dass er immer jede Diskussion über Todesstrafe oder Folterung abgelehnt habe. Alle anderen bis hin zur Lufthansa-Stewardess Gabriele Lutzau wollen endlich wissen, warum die Täter taten, was sie taten – und warum gerade ihre Nächsten ausgesucht worden waren, ermordet zu werden. Eine Antwort steht aus. Dieser Film fordert sie glaubwürdig ein. JAF