: Wirte wollen Volksentscheid
Bevor das Hamburger Gesetz zum Nichtraucherschutz an Neujahr in Kraft tritt, will es eine Initiative von Wirten aus Wandsbek kippen. Die Unterschriftenlisten werden seit gestern in Kneipen verteilt
VON DANIEL WIESE
Die Stimmung ist gut im Hinterzimmer des „Goldbeker“, einer Traditionswirtschaft in Winterhude. „Listennummer 19: Große Freiheit“, ruft Peter Engel, der Wirt des „Goldbeker“, die Frau von der „Großen Freiheit“ tritt vor, die Kameras halten drauf. Sie sei weder für noch gegen das Rauchen, sagt die Frau, aber : „Das soll von den Bürgern entschieden werden.“
Bevor das Gesetz zum Nichtraucherschutz an Neujahr in Kraft tritt, wollen Peter Engels und seine Kollegen einen Passus per Volksbegehren kippen. Es ist der entscheidende Passus, der die Gaststätten betrifft. „Einrichtungen, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden“, steht im Gesetz. Den Passus haben Engels und seine Kollegen in ihrem Gegenentwurf ersatzlos gestrichen.
Dabei wäre Engels selbst nicht betroffen, das „Goldbeker“ hat zwei Nebenräume, die könnte er nach dem Gesetz als Raucherräume abtrennen. Aber ihm geht es ums Prinzip: „Wir haben das Hausrecht in der Gastronomie, nicht der Staat“, sein Gesicht wird eine Spur röter. „Und dieses Selbstbestimmungsrecht würden wir gerne behalten.“
Während Engels in die Kameras spricht, geht am Nebentisch die Angst um. Man kann es an den Gesichtern sehen, an den scheuen Blicken, den Fingern, die sich verknoten. Am Nebentisch sitzen die Wirte von Kneipen, die „Schwalbeneck“ heißen, „Schinkelkrug“ oder „Bavaria-Insel“. Es sind die Wirte, die es sich nicht leisten können, einen Raum abzutrennen. Weil es zu teuer ist. Weil der Platz nicht da ist. 90 Prozent ihrer Stammgäste seien Raucher, meint einer. „Ich hab‘ fünf Tische, ich kann meine Kneipe zumachen“, sagt ein anderer resigniert. Eine Frau kommt herein, sie sieht müde aus. „Ich bin jetzt 77 Jahre, soll ich auf Sozialhilfe machen?“, fragt sie.
Eine ältere Wirtin sitzt still da, sie hält sich an einem Glas Cola fest. Sie habe noch nie geraucht, sagt sie leise, aber sie störe es nicht, wenn ihre Gäste rauchten. Mit den Angestellten gebe es auch keine Probleme. „Die sind alle Raucher.“
Das Nebenzimmer des „Goldbeker“ füllt sich, immer mehr Wirte kommen herein, wollen ihre Liste haben. „Platz für 180 Unterschriften“, sagt Goldbeker-Wirt Engels stolz. Heute Morgen habe man die Volksinitiative im Rathaus angemeldet, sei kein Problem gewesen. 10.000 Stimmen brauchten sie, damit es zum Volksbegehren kommt, und dann 62.500 zum Volksentscheid.
Bei dem „Plan B“, über den die Mopo berichtet hatte – die Kneipen zu Clubs umzufunktionieren – sind die Wirte von der Initiative inzwischen skeptisch. „Das würden wir ungern machen“, sagt der Mann, der neben Goldbeker-Wirt Engels sitzt und alle Daten in ein Notebook tippt. In Niedersachsen habe das ein Wirt probiert, aber das Ordnungsamt habe es nicht genehmigt.
Die Eckkneipenwirte am Nebentisch haben inzwischen weitere Verstärkung bekommen, endlich einen Raucher, der Bild-Zeitungs-Fotograf hält drauf. Zigaretten seien ein legales Suchtmittel, tönt der Mann, aber bei den Strafen von bis zu 500 Euro sei Zigarettenrauchen bald teurer, als wenn man Marihuana rauche.
„Ich weiß ja nicht, ob das was bringt“, murmelt ein Wirt, als er mit der Unterschriftenliste den Raum verlässt. Er wird die Liste bei sich auslegen, an den Erfolg glaubt er nicht. Er zuckt die Schultern. „Die Politiker machen ja doch, was sie wollen.“