heute in bremen
: Der Heilpraktiker und die SS

Der Donat-Verlag stellt das neue Buch „Der KZ-Gärtner“ vor

taz: Herr Seeger, Arnold Eickmann hat seine Erlebnisse als gärtnernder KZ-Häftling bereits 1945 aufgeschrieben. Wie kommt es, dass sie erst jetzt veröffentlicht werden?

Andreas Seeger, Historiker: Genau lässt sich das nicht klären. Es gab drei Exemplare der Niederschrift. Eines hatte er selbst, eines ein englischer Offizier und eines der Journalist Karl-Heinz Wegner, der ihm damals beim Schreiben geholfen hat. Wegner lebte in der DDR und hat es nach der Wende der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen gegeben.

Als Sie es dort zum ersten Mal gelesen haben – war das etwas besonderes?

Ja, weil er ungeheuer detailliert und in einer genauen Sprache schildert, was er erlebt hat. Etwa den Todeskampf eines Mitgefangenen, der an Tuberkulose starb – in seinen Armen. Oder wie SS-Männer eine Zigarette auf den Boden warfen und einen Häftling erschossen, der sich danach bückte. „Auf der Flucht erschossen“ hieß das dann. Er hatte ja außerdem ganz engen Kontakt zu den höchsten SS-Offizieren, wie dem Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und dem KZ-Inspekteur Theodor Eicke. Mit dessen Tochter hatte er sogar eine Affäre. Ich konnte das erst gar nicht glauben, aber Karl-Heinz Wegner hat mir erzählt, dass er Eickmann immer wieder gesagt hat, er müsse unbedingt die Wahrheit sagen.

Warum hat er ihn so beschworen?

Wegner war damals ein einfacher Soldat, der wahrscheinlich nichts von den Konzentrationslagern gewusst hat. Und dann hört er in englischer Gefangenschaft solche Horrorgeschichten. Das überstieg seine Vorstellungskraft.

Eickmann war Heilpraktiker – wie kam er ins Schussfeld der Nazis, die waren schließlich auch große Gesundheitsfanatiker.

Das stimmt, Himmler hatte ja den Tick, eine Heilkräuter-Plantage in Dachau bauen zu wollen. Eickmann hat sich immer wieder mit den Nazis angelegt, sei es, weil er Geschlechtskrankheiten behandelte oder Abtreibungen durchführte. Auf die Spitze trieb er es, als er in einer Broschüre den Impfzwang der Nazis kritisierte. Interview: Eiken Bruhn

Buchpremiere mit dem Herausgeber Andreas Seeger: 19 Uhr, Buchhandlung Franz Leuwer, Am Wall 171