: Premiere in der Fünften Republik
FRANKREICH Seit 1958 war der Senat immer in den Händen der bürgerlich-rechten Parteien. Jetzt bewegt sich das Land nach „links“. Eine Trendwende
AUS PARIS RUDOLF BALMER
Bei den Senatswahlen haben die französischen Linksparteien mit 177 von 348 Sitzen erstmals eine Mehrheit im „Oberhaus“ erobert, das seit 1958 immer als erzkonservative Bastion gegolten hatte. Die französischen Medien kommentierten das Ereignis darum als „politisches Erdbeben“ und „historischen Sieg“, weil der Mehrheitswechsel eine Premiere in der Fünften Republik darstellt. Das komplizierte indirekte Wahlsystem dieser zweiten Kammer erschien den linken Kräften immer wie ein unüberwindbares Handikap. Der Senat ist von den beiden Parlamentskammern immer die bewahrende Kraft gewesen, die namentlich dann bremste, wenn es der Exekutive aufs Tempo drückte.
Bisher wünschte die Linke mehrfach öffentlich, diese ihr notorisch abholde zweite Kammer abzuschaffen, die der sozialistische Premierminister Lionel Jospin in seiner Verzweiflung über die Obstruktion des Senats als „Anomalie einer Demokratie“ bezeichnet hatte. Der Wahlmodus begünstigte in krasser Weise die (häufig parteilosen) Vertreter der kleinen ländlichen Kommunen. Ausgerechnet dieser kritisierte „Altherrenklub“, in dem viele Exminister ihren politischen Lebensabend verbracht haben, ist nun nach links gekippt. Das Magazin Le Nouvel Observateur sieht darin mehr als nur einen Zufall: „Das ist bezeichnend für ein Klima. All das deutet auf eine Dynamik hin. Wenn der Senat nach links rutscht, dann bewegt sich das ganze Land in diese Richtung.“
Harlem Désir, der sozialistische Parteichef, sprach darum von einem „ersten Akt“, dem ein Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr folgen soll. Über die Genugtuung einer Schlappe für Sarkozy und dessen Partei hinaus hoffen die alliierten Sozialisten, Grünen und Kommunisten, dass es ihnen dank dieses Trends im Frühling endlich gelingt, nach drei nacheinander verlorenen Präsidentschaftswahlen das Ruder herumzureißen.
Die Regierungspartei UMP bezahlte einen hohen Preis für zahlreiche lokale Spaltungen und dissidente Kandidaturen. Ihre ebenfalls „historische“ Niederlage möchte die UMP darum aber gern als letzte Lektion und Warnung sehen. Der ehemalige UMP-Premierminister Jean-Pierre Raffarin glaubt, dass sich für die bürgerliche Rechte „das abscheuliche Klima der Affären“ negativ auf die Ergebnisse am Sonntag ausgewirkt habe. Der gegenwärtige Premierminister François Fillon tröstete sich und seine UMP-Parteikollegen damit, dass der Sieg der Linken und ihre Mehrheit letztlich ja knapp sei und lediglich der Logik einer „arithmetischen Mechanik“ entspreche.
Sehr optimistisch glaubt der bisherige Senatspräsident Gérard Larcher (UMP), dass er bei der Wahl des Senatsvorsitzenden dank einiger abtrünniger Stimmen aus dem linken Lager seinen Sessel im Pariser Palais du Luxembourg behalten könnte. Favorit für diese Wahl am 1. Oktober, die den ersten Test für die neue Mehrheit darstellt, ist jedoch der Sozialist Jean-Pierre Bel.
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