: Hakenkreuzbanner wehen wieder
Nazifahnen auf dem Messegelände sorgen für Aufregung: Ein Passant erstattet Anzeige. Doch Kunst darf alles – weil die Hakenkreuze für den Stauffenberg-Film „Valkyrie“ wehen, hat die Anzeige kaum Aussicht auf Erfolg
An Dutzenden Fahnenmasten wehen meterlange Banner mit Hakenkreuzen im Wind. Hunderte stattliche Wehrmachtsoldaten marschieren unter ihnen und hantieren mit Kriegsgerät. Die Kulisse dafür bildet die sogenannte Ehrenhalle, ein Sandsteinbau in klassischer Nazi-Architektur aus dem Jahr 1936. Man könnte meinen, es sei 1936. Aber es ist 2007, und die Ehrenhalle ist heute Teil der Messe Berlin. Die Marschierenden sind auch keine Neonazis, sondern Statisten. Am vergangenen Wochenende wurde auf dem Messegelände für die Stauffenbergverfilmung „Valkyrie“ mit Tom Cruise gedreht.
„Als ich am Samstag mit meiner Frau und meiner vierjährigen Tochter am Messegelände vorbeifuhr, war ich geschockt“, sagte Christian Bredlow der taz. „Was sollen da erst Touristen denken oder gar alte Menschen, die selbst vom Naziregime betroffen waren?“ Bredlow erstattete Anzeige wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach Paragraf 86 a des Strafgesetzbuches. Das Verbot gilt zwar nicht im Fall der Verwendung für die Zwecke der Kunst. Damit diese Ausnahme greift, muss allerdings erkennbar sein, dass es sich um Kunst handelt. Und gerade das war laut Bredlow nicht auf den ersten Blick der Fall.
Seine Anzeige richtet sich nicht gegen die Produktionsfirma, sondern gegen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die für die Erteilung von Drehgenehmigungen zuständig ist. Bei der Polizei sah man zwar keinen Straftatbestand erfüllt, war aber zur Aufnahme der Anzeige verpflichtet. Nun muss sich die Staatsanwaltschaft mit dem Vorwurf befassen. „Eine Prognose kann ich nicht treffen, jeder Einzelfall muss geprüft werden,“ sagte Michael Grunwald, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Berlin, zur taz.
Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass gegen die Senatsverwaltung Anklage erhoben wird. Seit Drehbeginn zu „Valkyrie“ gab es nach taz-Informationen bereits mehrere Anzeigen – sogar gegen den Finanzminister persönlich, nachdem sein Ministerium als Kulisse genutzt worden war. Bisher wurde von der Staatsanwaltschaft jedoch in keinem dieser Fälle Anklage erhoben.
Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist man sich jedenfalls keiner Schuld bewusst. „Wir vergeben die Drehgenehmigungen nur nach der verkehrstechnischen Machbarkeit. Die Entscheidung, einen Film zu unterstützen oder nicht, wird auf politischer Ebene getroffen“, sagte Pressesprecherin Petra Rohland. „Dass man bei dem Anblick ein flaues Gefühl in der Magengegend bekommt, kann ich aber verstehen.“
Seit Jahren ist es das erklärte Ziel des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, Berlin zur Filmstadt zu machen. Er erhofft sich davon einen Imagegewinn für die Stadt und positive Effekte für den regionalen Arbeitsmarkt. „Wenn Berlin als Kulisse für Filme dient, ist der Werbewert für die Stadt unermesslich“, sagte Senatssprecher Günter Kolodziej.
Der Dreh zu „Valkyrie“ allerdings hat schon häufiger für Unmut gesorgt, zuletzt als Statisten bei Dreharbeiten verletzt wurden. Vor einem Imageverlust für die Stadt durch derlei negative Schlagzeilen hat man in der Senatskanzlei keine Angst. „Der Regierende Bürgermeister unterstützt den Dreh für ‚Valkyrie‘ ausdrücklich“, so Kolodziej. „Wer einen Film über das damalige Zeitgeschehen drehen will, wird um die Darstellung der NS-Symbole nicht herumkommen. Allein die Chance, den deutschen Widerstand gegen das NS-Regime einem Weltpublikum vorzuführen, rechtfertigt schon diese Nutzung.“ INGA HELFRICH