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Archiv-Artikel

Hello again!

DIE NULL MUSS STEHEN Herzliches Bellen is back: Der alte Bekannte Huub Stevens ist der Neue auf Schalke

GELSENKIRCHEN taz | Wenn Huub Stevens lacht, dann klingt er wie die kettenrauchenden Stammgäste einer Eckkneipe in Herne oder Oberhausen. Tief ist dieses Lachen, ein bisschen verlebt, aber auch herzlich, und am Dienstag dröhnte dieser in Gelsenkirchen bestens vertraute Sound wieder über den Parkplatz vor dem alten Parkstadion.

Nach fast neun Jahren draußen in der Fußballwelt steckte der Holländer wieder im königsblauen Trainingsanzug des FC Schalke 04. Das Haar ist lichter geworden, die Jacke spannt ein wenig vor dem Bauch, doch der Elan des Holländers ist deutlich spürbar. „Ich habe mir fünf Monate Zeit genommen, um bei meiner Familie zu sein, jetzt bin ich wieder heiß“, sagte Stevens, der in Badelatschen auf der Pressekonferenz erschienen war.

„Einmal Schalker, immer Schalker“, verkündete er. Und: „Von einem Verein, der so emotional geführt wird, von den Fans und allen Beteiligten, da nimmt man natürlich etwas mehr mit.“ Solche Sätze kommen an bei vielen Gelsenkirchenern, und im Fall von Stevens sind sie glaubwürdig. Denn die Schalker haben dem 57-Jährigen den schönsten Moment ihrer Vereinsgeschichte (Uefa-Cup-Sieg 1997), aber auch den traumatischsten Augenblick (die in letzter Minute verlorene Meisterschaft 2001) zu verdanken. Das verbindet.

Einige progressivere Anhänger machten dennoch im Internet mobil, in den Foren gab es kritische Anmerkungen zu dieser Personalentscheidung, die auf den ersten Blick so aussieht, als sei sie eher der Gedankenwelt des hemdsärmeligen Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies entsprungen als eine Idee von Sportdirektor Horst Heldt. Noch bevor Stevens sprach, versuchte Heldt diese Skepsis zu entkräften. „Man findet in der Bundesliga viele junge ambitionierte Trainer, aber es gibt auch Trainer, die älter sind, die nach Hause kommen und sehr gut mit jungen Spielern, aber auch mit älteren Spielern arbeiten können“, sagte er in Anspielung auf den FC Bayern. Nach dem Rücktritt von Ralf Rangnick sei „nicht der Zeitpunkt für Experimente“.

Bis vor wenigen Tagen galt Borussia Dortmund als strategisches Vorbild der Schalker, nun orientiert man sich am Rekordmeister aus München und deren vielversprechender Versuchsanordnung mit Jupp Heynckes. Und wie die Bayern wird auch Schalke wieder ein bisschen defensiver werden. Als jemand den legendären Stevens-Satz von der Null, die stehen muss, zitierte, freute der Trainer sich sehr. „Ich finde das super, dass das immer noch gilt“, sagte er. Grundsätzlich legt er mehr Wert auf Sicherheit als der entkräftet zurückgetretene Ralf Rangnick, und das begrüßt Heldt, der daran erinnerte, dass nur zwei Bundesligisten mehr Tore zugelassen haben als die Schalker. „Wir brauchen eine bessere Balance“, sagte der Sportdirektor, und da wird ihm niemand widersprechen.

Einen größeren Kulturschock als die modifizierte Spielauffassung könnte da Stevens’ Umgang mit unerfahrenen Spielern auslösen. Im Gegensatz zu Rangnick hat er sich nie als Förderer junger Talente profiliert, und gleich die erste Trainingseinheit lieferte Indizien, dass das auch künftig so sein wird. Beim ersten Übungsspiel kamen Jermaine Jones (29) und Christoph Metzelder (30) zunächst in der B-Elf zum Einsatz, um dann für Kyriakos Papadopoulos (19) und Joel Matip (20) in die A-Mannschaft befördert zu werden. Jones blickte nach der Einheit in den bewölkten Ruhrpotthimmel und meinte: „Die Sonne scheint wieder.“ Allzu viel Aussagekraft sollte diesen ersten Szenen der neuen Ära zwar nicht beigemessen werden, aber irgendwie passen diese Maßnahmen zum Ruf, der Stevens vorauseilt. Im grassierenden Konzept-Trainer-Hype mag Stevens manchen ein wenig angestaubt erscheinen, er aber will trotzdem „ganz oben mitmischen“. DANIEL THEWELEIT