europäische zeitungen über den irak-bericht von us-general david petraeus
:

In Mailand meint der Corriere della Sera: Viereinhalb Jahre nach der Invasion sind die Vereinigten Staaten bereit, ihre Truppen im Irak zu verringern. Petraeus hat besonders darauf bestanden, dass ein schnellerer Rückzug aus dem Irak katastrophale Folgen hätte. Und der Soldat hat zuletzt noch in diplomatischen Worten an das Gespenst des Irans erinnert. Das ist genau die These von Präsident George Bush, der, so befürchten einige Demokraten, vom teilweisen Rückzug aus dem Irak Nutzen ziehen könnte, um Teheran zu bombardieren.

In London schreibt der Independent: Die Aufstockung der Truppen war niemals dazu da, den Irak zu stabilisieren. Die Amerikaner hatten bereits die Kontrolle verloren. Die Absicht war es, die Rufe der Demokraten und einiger Republikaner nach einem Zeitplan für den US-Abzug abzuwehren. Das ist zynisch und schändlich. Aber was kann man sonst von einem militärischen Abenteuer erwarten, das mit einer solchen Anmaßung entworfen wurde und mit solcher Inkompetenz und rücksichtsloser Arroganz ausgeführt wurde?

El Periódico de Catalunya schreibt: Der Bericht des US-Oberkommandierenden im Irak, General David Petraeus, bedeutet das Eingeständnis, dass es auf dem Gebiet der Sicherheit kaum Fortschritte gab. Dies ist eine verheerende Nachricht für die US-Republikaner, die nun die Strafe der Wähler fürchten. Die Demokraten haben so viel Spielraum, dass sie nicht einmal sagen müssen, wie sie aus dem Irak-Konflikt herauskommen wollen. Das ist an den vagen Positionen von Kandidaten wie Hillary Clinton oder Barak Obama abzulesen.

In Rom kommentiert La Repubblica: Die Hoffnung, dass zumindest am sechsten Jahrestag des 11. September Weißes Haus, Kongress, Streitkräfte endlich den Mut finden, die Wahrheit zu sagen und die versprochene Wende einleiten, hat sich in Statistiken verflüchtigt, in Rhetorik und Grafiken. Und am Ende bleibt alles genauso, wie es ist: ein Irak wie ein Flickenteppich, der sich in den Händen aller und niemandes befindet, genau wie jenes Vietnam, an das Bush jüngst unvorsichtigerweise erinnert hat.

Der Tages-Anzeiger aus Zürich glaubt: Die Anhörungen auf dem Kapitolshügel verschaffen dem Präsidenten einen Spielraum von etwa sechs Monaten; danach werden mindestens fünf Brigaden abgezogen und nicht ersetzt werden. Geschieht zwischenzeitlich kein politisches Wunder in Bagdad, dürfte das Regime in Teheran dank seines gewachsenen Einflusses im Irak als Sieger aus Bushs Krieg hervorgehen – ohne allerdings wie der Washingtoner Kriegsherr eine halbe Billion Dollar ausgegeben zu haben.