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Archiv-Artikel

„Es gibt Tabuthemen“

Bülent Kayaturan, 30, bekannt als Bedo, gilt als Musterbeispiel für gelungene Integration. Der Moderator der deutsch-türkischen Sendung „Oriental Night“, die samstags auf Hamburg Eins läuft, moderiert auch beim Karneval der Kulturen

INTERVIEW: ANNIKA STENZEL

taz: Bedo, was bist Du denn nun, Türke oder Deutscher?Bedo: Ich habe die Gelassenheit zu sagen, ich bin beides. Deutsch und türkisch. Ich bin reich, weil ich mich in zwei Kulturen bewege. Wer kann mir da das Wasser reichen?

Was ist denn gelungene Integration?

Gelungene Integration ist für mich das Bewusstsein, dass ich mich in beiden Kulturen bewegen und ausdrücken kann und dass ich in beiden akzeptiert bin. Ich rede deutsch, ich esse türkisch, ich träume deutsch und ich fühle türkisch. Deswegen bin ich integriert.

Was ist türkisch fühlen?

Arabesk sein – das heißt sehr emotional, sensibel und sentimental. Manchmal vielleicht auch ein wenig beleidigt.

In Deiner Sendung „Oriental Night“ thematisierst du Unterschiede zwischen Deutschen und Türken. Förderst Du damit nicht gerade die Differenzen?

Ich bediene keine Differenzen, ich thematisiere sie und helfe, sie abzubauen. Heute habe ich über den Vorstoß von Herrn Bosbach gelesen, der ein Register über Konvertiten anlegen will. Totaler Käse ist das. So etwas bediene ich sicher nicht.

Sondern?

Ich zeige Menschen und Gruppen, die mehr sind als Klischees. mehr als kriminell oder Kopftuchträger. „Oriental Night“ ist auch eine Motivationssendung. Ich will kein Lehrer sein, aber ich will den jungen Deutsch-Türken zeigen, dass sie mehr können.

Ist Integration auch privat ein Thema für Dich?

Ich beschäftige mich immer mit Integration. Ich habe meine Diplomarbeit über die Mischsprache geschrieben, ich mache bei Projekten mit und ich gehe in die Schulen. Viele der jungen Migranten bekommen in der Pubertät eine Identitätskrise. Ich gehe da hin und versuche ihnen zu vermitteln, dass sie immer weiter machen müssen.

Bist du ein Integrations-Idol?

Vielleicht bin ich ein Integrations-Idol. Ich weiß auch nicht, vielleicht bin ich das, weil ich immer versuche etwas zu bewegen. Ich versuche einen Mittelpunkt zwischen den Kulturen zu finden und sage dann: Da treffen wir uns.

Aber es gibt doch auch unversöhnliche Themen, wie die Frage, ob türkische Mädchen am Schwimmunterricht teilnehmen dürfen.

Ich selbst habe zu allem eine Meinung. Ich äußere die auch privat. Aber es gibt Themen, die ich in meiner Sendung nicht thematisieren kann.

Welche?

Das sind türkische Tabuthemen wie Politik, Kopftuch, Homosexualität oder Aids. Wenn ich so etwas mache, würde sich die türkische Community nach der Sendung an die Gurgel gehen.

Wie meinst Du das?

Wenn ich zu diesen Themen auf eine Podiumssitzung eingeladen bin, dann kann ich darüber sprechen. Im Fernsehen würde das bestimmt falsch rüber kommen. Wenn ich zum Beispiel versuchen würde, neutral über das Kopftuch zu sprechen, dann gäbe es später zwei Lager: eins, ist sauer, weil ich für das Kopftuch bin und das andere, weil ich gegen das Kopftuch bin.

Und wie denkst Du privat darüber?

Ich bin sehr liberal erzogen worden. Ich habe auch eine Schwester, die kein Kopftuch trägt, aber ob ich jetzt gegen das Kopftuch bin – ich weiß nicht. Ich habe mich einmal mit einem Mädchen unterhalten, die trug ein Kopftuch. Ich hab ihr gesagt: überzeuge mich, dass du ohne Zwang dein Kopftuch trägst. Das Problem ist nicht das Kopftuch, sondern der Zwang es zu tragen. Aber bei diesem Mädchen war das anders und sie hat mich davon überzeugt, dass sie selbst ihr Kopftuch tragen will. Dann finde ich das Kopftuch gut.

Warum ist die Kopftuchfrage so schwierig?

Bei dieser Frage ist sich ja nicht mal die Religion einig. Wenn ich mit einem liberalen Prediger spreche sagt der: Eine gute Muslimin braucht kein Kopftuch. Ein anderer würde sagen: Klar, das Tragen des Kopftuches steht im Koran. Aber wenn ich den Koran lese, bin ich noch mehr verunsichert. Es heißt, Musliminnen sollen ihren Körper bedecken. Von Verschleiern steht da nichts.

Wie sollte man Deiner Meinung nach mit diesen Unterschieden umgehen?

Ich kann das Wort „Toleranz“ nicht leiden. Das hat etwas Zwanghaftes. Besser sind Dialog, Akzeptanz und Respekt. Ich muss mich mit meinem Nachbarn,nicht verstehen, ich kann mich auch mit ihm streiten. Aber es ist wichtig, dass man sagen kann: Ich bin nicht deiner Meinung, aber ich respektiere sie und deine Art zu leben.

Du hast Dich in Deiner Diplomarbeit mit der deutsch-türkischen Mischsprache beschäftigt. Was hat es damit auf sich?

Wenn sich Gruppen vermischen, vermischt sich auch die Sprache. Die Mischsprache ist trendy. Und wenn sie auch von Deutschen gesprochen wird dann ist das doch Integration, die funktioniert.

Trotzdem machst Du Dich in Deiner Sendung über Türken mit schlechtem Deutsch lustig.

Ich als Türke darf das. Ein Deutscher würde vermutlich als Rassist beschimpft werden. Aber ich kann mir das Recht herausnehmen über mich selbst zu lachen und die Community zu veralbern. Das ist Teil des Lifestyles.

Du arbeitest mit unterschiedlichen Parteien zusammen und wirst deswegen kritisiert. Warum entscheidest Du Dich nicht für eine?

Ich arbeite mit den verschiedenenParteien zusammen weil Integration für mich an erster Stelle steht. Es geht mir um den Support für Migrationsprogramme. Da bin ich dann offen für alles. Ich finde, Migration ist eins der wichtigsten Politikfelder. Die drei größeren Parteien hier haben mir auch schon Angebote gemacht, so à la „eigentlich passen Sie doch ganz gut zu uns“. Aber ich bin noch nicht reif für politisches Engagement.

Warum?

In die Politik kann ich immer noch, wenn ich älter bin. Ich sehe meinen Auftrag darin, zwischen den Kulturen zu vermitteln. Zum Beispiel auch beim Festival der Kulturen.

Was machst Du da?

Beim Festival der Kulturen bin seit dem ersten Tag dabei. Als Moderator auf der Bühne TerraEurasia. Ein Fest wie das Festival der Kulturen bringt Menschen zusammen. Ich fühle mich mit den verschiedenen Kulturen verbunden. Bei solchen Projekten muss ich nicht zwei Mal gefragt werden, ob ich mitmache.