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Archiv-Artikel

Showdown in Sachsen

Der CDU-Landesparteitag am kommenden Wochenende ist für Ministerpräsident Georg Milbradt der wichtigste seit seinem Amtsantritt. Affären haben seine einst so selbstbewusste Partei verunsichert

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Er redet über alles. Er fordert die Online-Durchsuchung, ein Verschuldungsverbot für die Länder und verspricht Finanzhilfen für die sorbische Minderheit. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt will den Zeitungen andere Meldungen zum Thema Milbradt liefern. Die Meldungen vom tatkräftigen, dynamischen Regierungschef sollen die vom krisengeplagten, bedrängten ersetzen.

Am Wochenende nämlich wird seine Partei, die sächsische CDU, in der Kleinstadt Mittweida darüber abstimmen, ob sie ihn weiter als Parteichef haben will. Die Parteifreunde könnten ihn für all die unschönen Nachrichten abstrafen. So wird der Parteitag Milbradts wichtigster seit jenem im September 2001, als er zum Landesvorsitzenden und damit zu Kurt Biedenkopfs Nachfolger bestimmt wurde.

Die CDU-SPD-Regierung befindet sich seit Monaten in der Defensive. Abwechselnd giften sich Sozialdemokraten und CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer öffentlich an und stellen den Fortbestand der Koalition in Frage. Anlässe dafür bieten sich vom Hochschulgesetz über die Energiepolitik bis zur Landesbank reichlich.

Die Dauerbaustelle Gebiets- und Verwaltungsreform, bei der Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) seinem Kabinettschef noch weitgehend den Rücken freihielt, wird nicht wie geplant bis 2008 abzuschließen sein. In der Affäre um den sogenannten Sachsen-Sumpf – das mutmaßliche Geflecht zwischen organisierter Kriminalität, Politik und Justiz – ist noch unklar, ob alle Vorwürfe auf unzuverlässigen Informationen des Verfassungsschutzes beruhen oder ob doch etwas an ihnen dran ist. Und im Konflikt zwischen dem Land und der Unesco um die geplante Dresdner Waldschlösschenbrücke entsprach Milbradt genau dem Urteil des „miserablen Politikers“, das sein Vorgänger Biedenkopf über ihn gefällt hatte. Sture Politikverweigerung statt Moderation und Kompromiss. Als vor zwei Wochen die Sächsischen Landesbank verkauft werden musste, war nicht nur der Politiker Milbradt beschädigt, sondern auch das Vertrauen in den Finanzpolitiker erschüttert.

Über einen erneuten Denkzettel für Milbradt wird deshalb spekuliert. Nur knapp 77 Prozent der Delegierten des Parteitages stimmten vor zwei Jahren für ihn als Landesvorsitzenden. Weniger kann er sich kaum leisten, will er bis 2009 nicht ein Ministerpräsident auf Abruf bleiben. Milbradt ist nicht wirklich ein Mann der Parteibasis, und er kann als Redner auch nicht den zündenden Biedenkopf-Effekt auf Parteitagen erzielen, der Schwankende mitreißt.

„Es wird weder gedacht noch gezettelt“, weisen Landtagsabgeordnete aber die Denkzettel-Spekulationen zurück. Darum hätte man sich sorgen müssen, wenn die Delegierten des Parteitages mehrheitlich aus der CDU-Basis kämen, heißt es in der Fraktion, aber das sei nicht der Fall.

Delegiert sind wie üblich überwiegend Funktionsträger aus Kommunalparlamenten, Landräte und Ortsgruppenvorsitzende, deren Macht an der Stärke der Landes-CDU hängt. Sie werden wie schon beim Auswechseln von Milbradts Vorgänger Biedenkopf den auf den Schild heben, der ihre Macht am ehesten zu garantieren scheint. Sie wollen Stabilität. Ein Plus für Milbradt, der intern geäußert haben soll: „Ihr habt doch keinen anderen.“ Noch geht es nicht um die Nominierung des Spitzenkandidaten für 2009, der die sächsische Union aus einem momentanen Umfragetief von 38 Prozent herausführen müsste.

Die wohlklingenden Worte, mit denen sich der Landesvorstand, die CDU-Landesgruppe im Bundestag, einzelne Minister und Kreisverbände hinter Milbradt gestellt haben, muss man nicht überbewerten. Wenn es eine Alternative gäbe, würde Milbradt wohl abserviert. Danach sieht es aber nicht aus. Die zwei wahrscheinlichsten Kandidaten halten sich bedeckt. Kultusminister Steffen Flath ist schlau genug zu warten, bis er gerufen wird. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, früher Minister in Dresden, wird ohne ein deutliches Zeichen der sächsischen CDU ebenfalls nicht gegen Milbradt in den Ring steigen.