: Was steckt dahinter?
HEILUNG Die Havelhöher Herzschule setzt auf einen ganzheitlichen Ansatz, um Patienten einen alltagsgeeigneten herzgesunden Lebensstil beizubringen
VON ANSGAR WARNER
„Du musst dein Leben ändern“ – wohl kein Patient mit Herzproblemen verlässt nach der akuten Phase die Klinik ohne diesen klassischen Hinweis. Doch Hand aufs Herz: In den Niederungen des Alltags gehen die besten Vorsätze schnell wieder verloren. Doch muss das wirklich sein? Die Herzspezialisten im Berliner Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe fanden: Nein. Deswegen haben sie in den neunziger Jahren angefangen, nach einem ganzheitlichen Therapiekonzept zu suchen. Sie wollten auch die nachhaltige Änderung des Lebensstils in die Behandlung mit einbeziehen. Heraus kam dabei die „Havelhöher Herzschule“.
Patienten mit koronarer Herzerkrankung, Herzklappenerkrankungen oder nach einem Herzinfarkt lernen seitdem in der auf anthroposophische Medizin spezialisierten Klinik, wie man einen herzgesunden Lebensstil tatsächlich in die eigene Routine einbindet. Der leitende Kardiologe Andreas Fried musste dafür Neuland betreten: „Im normalen 24-Stunden-Betrieb geht es um die Behandlung akuter Herzbeschwerden. Doch ein Myokard-Infarkt hat nicht nur mit verschlossenen Gefäßen zu tun.“ Die Herzschule richtet den Blick auch auf die Vorgeschichte des Patienten. „Der Mensch ist mehr als nur sein Körper, es gibt auch eine geistig-seelische Ebene.“ Es gelte also herauszufinden: „Was ist die Botschaft hinter der Krankheit?“
Am Anfang steht ein Intensivseminar über ein Wochenende, danach heißt es für ein Jahr lang: Montag ist Herzschultag. „Angefangen haben wir damit vor 13 Jahren. Mittlerweile nehmen etwa vierzig Patienten pro Jahr an der Herzschule teil“, so Fried. Im Zentrum jedes Schultags steht die Gesprächsrunde, daneben geht es um gemeinsame Bewegung genauso wie um Kochen und Essen. Zusätzlich werden künstlerische Therapien angeboten, neben Malen, Sprachgestaltung und Musik auch Biografiearbeit. „Zum Team der Havelhöher Herzschule gehören auch zwei Heileurythmistinnen, eine Ernährungsberaterin sowie zwei Psychotherapeuten.“
Wichtig ist für den Intensivmediziner auch die Einbindung der Familie: „In vielen Fällen nehmen gerade die Ehefrauen von Patienten an der Herzschule mit teil.“ Orientiert haben sich die Berliner Mediziner bei ihrem Programm an den Erfahrungen des US-Arztes Dean Ornish, bekannt als Autor des Buches „Revolution der Herztherapie“. Mit seiner Konzentration auf den Lebensstil der Patienten hat der Kardiologe die herrschende Lehrmeinung in punkto Herzerkrankungen auf den Kopf gestellt: Die Fachwelt ging lange davon aus, dass man Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen nur durch operative Maßnahmen in den Griff bekommen kann.
Doch stattdessen reicht oft auch ein veränderter Speiseplan, vor allem die Reduzierung des Fettkonsums. Ebenso wichtig ist die Vermeidung von Stressfaktoren, sind sportliche Betätigung und unbedingte Nikotinabstinenz. Das wissen mittlerweile natürlich auch die Mediziner außerhalb von Havelhöhe. Doch oft hapert es an der notwendigen Motivation der Patienten. Um die zu erreichen, ist ein neues Selbstverständnis der Mediziner notwendig: „Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, als Arzt nicht nur auf das Ziel, sondern auch auf den Weg dahin zu achten“, fasst Fried die Erfahrungen mit der Herzschule zusammen.