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Archiv-Artikel

Mit Dutschke gegen den Tornado-Einsatz

Mehrere tausend Menschen demonstrieren in Berlin für einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Zweifel, wie sie die streitenden Grünen haben, sind ihnen fremd. Ihre Botschaft ist eindeutig: Raus, und zwar am besten sofort

BERLIN taz ■ Die beiden Jungs haben sich an den Straßenrand gesetzt und warten, dass es losgeht. Vor ihnen wehen rote Linkspartei-Fahnen im Wind. Die Gymnasiasten Lukas Pohl und Konstantin Schlimbach sind am Samstagmorgen mit einem Demo-Bus aus Dresden nach Berlin gekommen und wollen jetzt dagegen protestieren, dass die Bundeswehr die Amerikaner in Afghanistan bei ihrem „Krieg gegen den Terror“ unterstützt.

Über 100 Friedensinitiativen, Attac-Gruppen und Linkspartei-Verbände haben unter dem Motto „Frieden für Afghanistan. Bundeswehr raus“ dazu aufgerufen. Schlimbach, der sich eine regenbogenfarbene Flagge ums Handgelenk gebunden hat, dachte eigentlich, dass hier heute alle zeigen, wie viele Deutsche gegen diesen Einsatz sind, als deutliches Signal an die Politik. In Umfragen heißt es, mehr als die Hälfte der Bevölkerung sei dagegen. Der 17 Jahre alte Schüler sieht sich um. „Sind halt ein bisschen wenig Leute da leider.“ Die Veranstalter zählen 10.000 Teilnehmer. Damit sind es immerhin so viele wie bei den derzeit größten Demos der Friedensbewegung gegen den Bombenabwurfplatz der Bundeswehr in Nordbrandenburg. Aber vor vier Jahren protestierten noch 500.000 Menschen gegen den Irakkrieg. Und das, obwohl damals keine deutschen Soldaten beteiligt waren.

Auf der Bühne beklagen Frauen aus Afghanistan, wie sich ihre Lage seit dem US-Einmarsch vor sechs Jahren verschlechtert hat. Der Politikwissenschaftler Peter Grottian fordert dazu auf, die Rüstungsproduktion empfindlich zu stören. Mit friedlichen Mitteln. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der während der Demo auf dem Sonderparteitag in Göttingen ist, wird vom Tonband zugeschaltet. Die Truppen müssten abgezogen werden und dann müsse man mit den afghanischen Warlords einen Waffenstillstand aushandeln. Viele Hilfsorganisationen würden sich zurzeit aus dem Land zurückziehen, sagt Peter Strutynski vom „Bundesausschuss Friedensratschlag“. Das Militär sichere fast nur noch sich selbst. Einige Redner verlangen von den Grünen, sich wieder ihrer Ursprünge zu besinnen und gegen den Einsatz deutscher Soldaten und Tornados zu stimmen.

Auch der britische Schriftsteller Tariq Ali spricht sich gegen den Bundeswehreinsatz aus. Zuletzt, sagt er, habe er in Berlin 1968 gemeinsam mit Rudi Dutschke gegen den Vietnamkrieg protestiert. Dutschke wäre heute auf der Seite der Kriegsgegner, im Gegensatz zu vielen seiner alten Weggefährten, da sei er sich sicher. „Die Nato-Truppen müssen sofort abgezogen werden“, ruft Ali. Anschließend sollten die Mächte der Region, also Pakistan, Iran, Russland und Indien, mit ihren Kontakten zu den afghanischen Volksgruppen dafür sorgen, dass in dem Land kein Chaos ausbricht. JOHANNES GERNERT

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