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Archiv-Artikel

Bischof Basta

BERLIN taz ■ Selbsterkenntnis gehört nicht zu den Stärken Joachim Meisners. Er sei „eher konfliktscheu“, sagt der Kardinal und Erzbischof von Köln. Das aber ist ein krasses Fehlurteil über sich selbst, denn kein anderer Oberhirte der katholischen Kirche Deutschlands geht so gern Konflikte ein wie Meisner. Innerhalb und außerhalb der Kirche runzeln liberalere Geister die Stirn, sobald das Gespräch auf Meisner fällt. Und ihm scheint das zu gefallen. Denn dem Wort über seine angebliche Konfliktscheu folgt die süffige Ergänzung: Manchmal müsse man eben „deutlich werden, wenn man sich um der Botschaft willen Gehör verschaffen will“.

In der deutschen katholischen Kirche ist Meisner die Führungsfigur der streng Konservativen, der Antipode zum Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann. Nicht dass der Bischof von Mainz nicht auch konservative Seiten hätte, aber insgesamt ist er ein Mann des Ausgleichs und sieht sich den liberalen Aufbrüchen des Zweiten Vatikanischen Konzils verpflichtet, das die Kirche 1965 von ihrer Erstarrung erlöste. Meisner hingegen spricht in kaum verdeckter Verachtung über die Errungenschaften dieses Konzils wie die größeren Freiräume beim interreligiösen Dialog oder in der Ökumene.

Der heute 73-Jährige wurde groß in einer Kirche, die sich stets von Feinden umstellt sah. Er kommt aus einer Vertriebenenfamilie und war bis 1988 zunächst als Priester in Erfurt, später als Bischof von Berlin ein vehementer Kämpfer gegen das atheistische SED-Regime. Diese Kampfeslust beeindruckte den Kommunistenfresser Karol Wojtyła, den späteren Papst Johannes Paul II., der ihn 1980 gegen den Willen des Berliner Bistums zum Erzbischof der geteilten Stadt ernannte. Ähnlich war es acht Jahre später, als er Meisner zum Erzbischof von Köln berief. Dass dort der Widerstand sowohl im Domkapitel als auch im überwiegend rheinisch-liberalen Kirchenvolk sogar noch stärker war, schien Meisner wenig auszumachen. Er fühlte sich schlicht von Gott und Papst zu diesem Amt berufen, basta. „Basta“ ist ein Wort, das Meisner häufig benutzt. So demonstrierte er auf dem Weltjugendtag 2005 Papst Benedikt, wie man mit einem „Basta“ Jubelstürme stoppt.

1999, als der größte Streit der letzten Jahrzehnte in der deutschen katholischen Kirche, nämlich der Kampf um die Schwangerschaftsberatung, eskalierte, war es Meisner, der mit einem Brief an den Vatikan den bischöflichen Kompromiss in dieser Frage zu Fall brachte – und schließlich mit Hilfe des Vatikans durchsetzte, dass die strikte Linie des Papstes siegte. Dabei hatte Meisner dem Kompromiss vorher zugestimmt. Deshalb gilt er vielen nicht nur als Reaktionär, sondern auch als Intrigant. Immerhin: In zwei Jahren muss er altersbedingt seinen Rücktritt anbieten. PHILIPP GESSLER