: Regionales für den Kiez
EISENBAHNMARKTHALLE Anwohnerinitiative feiert Eröffnung nach eineinhalbjährigem Einsatz
Der Anblick der hausgemachten Brotaufstriche und Kuchen an den Ständen der Markthalle IX lässt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Einen der 30 Marktstände betreibt der urbane Landwirtschaftsbetrieb Prinzessinnengarten vom Moritzplatz. Im vergangenen Jahr hatte das Projekt hier überwintert. „Damals gab es hier eine trübe Stimmung, das genaue Gegenteil von heute“, sagt die Marktverkäuferin vom Prinzessinnengarten. Am Samstag wurde die Eisenbahnmarkthalle in Kreuzberg nach langen und zähen Verhandlungen für Besucher geöffnet.
„Mein Herz hüpft“, sagt Christoph Albrecht, Sprecher der Anwohnerinitiative, die sich seit Januar 2010 für die Wiedereröffnung der Markthalle eingesetzt hatte, bei der Eröffnungsrede. „Ein Prozess hat stattgefunden, der gezeigt hat, wie viele Menschen diese Markthalle lieben.“ Bei diesen Worten wird er von lauten Jubelrufen der Besucher unterbrochen.
Privatisierung verhindert
Vor zwei Jahren sollte die Markthalle an Investoren verkauft werden. Die Kiezgemeinschaft wollte die Privatisierung der Halle aber nicht hinnehmen. „Wir vermuteten, dass das, was sich hier abspielte, nicht im Interesse der Bürger war“, sagt der Kreuzberger Gemeindepfarrer Jörg Machel. Die Anwohnerinitiative erwirkte die externe Ermittlung eines Festpreises sowie die Ausschreibung für ein neues Nutzungskonzept. Die Projektgruppe IX nahm daran teil und gewann die Sympathie von Anwohnern und Jury.
„Wir haben bis drei Uhr nachts hier noch herumgeschraubt“, erzählt am Samstag Nikolaus Driessen von der Projektgruppe, die inzwischen in eine GmbH überführt wurde. Ihr Konzept der offenen Markthalle, die den Kreuzbergern regionale Produkte zum Kauf anbieten soll, wurde von der Anwohnerinitiative mitgetragen. Die Kiwi aus Neuseeland sucht man hier laut Driessen vergebens. „Auch ich wohne hier um die Ecke und habe mich für diesen Ort und seinen Verfall interessiert. Beim Aufräumen haben wir hier Müll von vor hundert Jahren gefunden.“
Bestehen gegen Discounter
Die Markthalle IX wurde Ende des 19. Jahrhunderts fertiggestellt. Ihre Backsteinwände münden hoch über dem Kopf des Betrachters in eine Fensterfront, Sonnenflecken fallen auf die gewölbte Holzdecke. Diese wird von einer Eisenstruktur unterstützt.
„Das wird nur funktionieren, wenn das Ganze hier wie früher wird“, sagt Driessen und meint damit, dass sich die Markthalle IX in Kreuzberg etablieren muss, um fortbestehen und sich gegen die billigeren Discounter behaupten zu können. Geöffnet ist die Halle freitags und samstags. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) hat die Besucher am Samstag schon mal in die Spur gebracht: „Was wir hier brauchen, damit das nicht wieder schiefgeht, ist, dass Sie hier einkaufen“, sagte er und versprach, dies auch zu tun. ALI
■ Markthalle IX, Eisenbahnstraße 42/43. Fr. 12–19, Sa. 9–16 Uhr