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Archiv-Artikel

GUTE FRAGE

VON EUGEN EGNER

Meine Eltern haben mir seinerzeit die Ausbildung zum Ich-Erzähler ermöglicht, so dass ich heute diese Geschichte in der ersten Person erzählen kann.

Ich war auf dem Weg zum Fachgeschäft für Modelleisenbahnwesen, um jemanden zu treffen, der mir eine Katze verkaufen wollte. Katzen waren soeben zu dem Zweck erfunden worden, sie als Regierungsspione in Privathaushalten einzusetzen. Wie ich zu spät feststellen sollte, wurden die Katzen ausgerechnet in einer Fabrik gefertigt, die ich plötzlich besaß, ohne sagen zu können, wie es dazu gekommen war. Das Patent für die Katze gehörte mir leider nicht.

Ich war also auf dem Weg zum Fachgeschäft für Modelleisenbahnwesen. An einer Fußgängerampel musste ich warten. Auf der anderen Straßenseite stand eine vierschrötige Person, die einen großen, altertümlichen Kinderwagen schob. Sie trug eine weiße, an ein Barett erinnernde Kopfbedeckung, einen kurzen, rostroten Mantel, rosa Strümpfe (vielleicht war es auch eine Hose) und dunkle Wanderschuhe. Ich beachtete diese Person aber gar nicht, sondern dachte an ein Erlebnis, das ich vor einiger Zeit an einer anderen Fußgängerampel (es gibt mehrere in unserer Stadt) gehabt hatte. Es war nach drei Uhr in der Nacht gewesen. Der Straßenverkehr ruhte völlig, weit und breit bewegte sich nichts, nur ein einziger Fußgänger war außer mir noch unterwegs. Er stand am Straßenrand gegenüber und wartete darauf, dass die Ampel von Rot auf Grün umsprang. Ich näherte mich eiligen Schritts dem zwischen uns liegenden Zebrastreifen und überquerte ihn ganz selbstverständlich. Sowie ich an dem Wartenden vorbeikam, klagte der mich leidenschaftlich an, ich sei ja ein schönes Vorbild für Kinder. Es verschlug mir aus rationalen Gründen die Sprache und ich musste an mich halten, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Da hob ich ganz von ungefähr den Blick zu den oberen Stockwerken der die Straße säumenden Gebäude und erstarrte: Hinter sämtlichen Fensterscheiben drängten sich Kinder, um mit großen Augen zu mir herabzuschauen.

Diese Erinnerung brach ab, als die Fußgängerampel, an der ich auf dem Weg zum Fachgeschäft für Modelleisenbahnwesen stand, auf Grün umschaltete. Die vierschrötige Person schob ihren Kinderwagen an mir vorüber, und ich erreichte die andere Seite. Von weitem konnte ich mein Ziel bereits sehen. In spürbarer Vorfreude auf die Katze, die mir nun bald gehören würde, beschleunigte ich meine Schritte. Ausgerechnet jetzt sprach mich jemand an, ein zwar unauffällig wirkender und auch gar nicht unhöflicher, mir aber nichtsdestoweniger in dieser Situation lästiger Mensch.

„Verzeihung“, begann er in makellosem Deutsch. Entschlossen, ihn im Rahmen der gebotenen Hilfsbereitschaft möglichst schnell abzufertigen, blieb ich stehen und hörte mir sein Begehr an. Was er zu sagen hatte, klang wie: „Wurst du welsch von Angesicht?“ – „Wie bitte?“, fragte ich daher nach. Er wiederholte Wort für Wort: „Wurst du welsch von Angesicht?“ Ich hatte also richtig gehört. Was sollte ich darauf antworten?