: Bewährung für Kameradschaftsgründer
NEONAZIS Landgericht stellt im „Sturm Wiking“-Prozess das Verfahren gegen zwei junge Angeklagte ein. Für die übrigen fordert die Staatsanwaltschaft Bewährungs- und Geldstrafen
Im Prozess um die rechtsextremistische Kameradschaft „Sturm Wiking“ hat das Landgericht das Verfahren gegen zwei der sechs Angeklagten eingestellt. Nils C. und Tabea K. konnten die laufende Verhandlung am Mittwochmorgen verlassen. C. habe ein Programm für Aussteiger aus der rechten Szene durchlaufen, K. stehe wegen der Geburt eines Kindes „am Rand der Überforderung“, so das Gericht. Da beide geständig und strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten seien, gebe es „keinen Bedarf“ für eine Jugendstrafe. Die Staatsanwaltschaft stimmte zu.
Seit einigen Wochen standen die beiden mit vier weiteren jungen Männern unter anderem wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht. Die damals noch jugendlichen hatten 2008 die Jugendbildungsstätte Lidice-Haus mit Steinen angegriffen und dabei einen Schaden von rund 20.000 Euro angerichtet. Zudem sollen sie versucht haben, Teilnehmer einer Anti-Nazi-Demo anzugreifen. Anlässlich des EM-Spiels Deutschland-Türkei habe einer der Angeklagten aus einer Gruppe von 15 Neonazis heraus eine Flasche auf Polizisten geworfen.
Die Gruppe traf sich zu „politischen Diskussionen“ in einem Lokal im Waller Parzellengebiet. Den Vorwurf, mit „Sturm Wiking“ eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, stützte Staatsanwalt Uwe Picard vor allem auf die „Satzung“ der Kameradschaft. Darin stand, dass sie für ein „artgemäßes freies Deutsches Reich“ kämpfen wolle.
Zwei der Angeklagten, die Brüder Gerold und Markus S. sind Söhne des ebenfalls rechtsradikalen KFZ-Meisters Thorsten S. Mit einem Vater, der „sich zum Nationalsozialismus bekennt, ist es schwierig“, sagte eine Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe. Als die beiden in die rechte Szene einstiegen, hätten sie „Aufmerksamkeit und Anerkennung“ vom Vater erhalten. Einer der Brüder macht in der KFZ-Werkstatt des Vaters derzeit eine Lehre.
Er habe sich „toll entwickelt“, am nationalsozialistischen Gedankengut habe ihn vor allem „das Soziale“ interessiert, sagte die Frau. Staatsanwalt Uwe Picard fragte daraufhin, warum S. ein Bild von Hitler in seinem Zimmer aufgehängt habe.
Am Ende der Beweisaufnahme forderte Picard für die Brüder Markus und Gerold S. Jugendstrafen von zehn und neun Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Sie hätten nach wie vor „schädliche Neigungen“, sagte Picard. Für einen der übrigen Angeklagten forderte er eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen, die beiden anderen sollen 30 Tage gemeinnützige Arbeit leisten. Ihnen sei nicht nachzuweisen, dass sie sich als Mitglieder von „Sturm Wiking“ verstanden hätten, als sie das Lidice-Haus angriffen.
Das Urteil soll in der kommenden Woche verkündet werden. Christian Jakob