: Warten auf den Türkischlehrer
An neun hessischen Schulen müssen junge Türken ohne muttersprachlichen Unterricht auskommen – weil ihren Lehrern die Einreise verwehrt ist. Die Behörden weisen sich wechselseitig die Schuld zu
VON CIGDEM AKYOL
Seit gut vier Wochen sind die Sommerferien vorbei – und seitdem warten hundert Schüler der Albrecht-Dürer-Grundschule im hessischen Haßloch-Nord auf ihren Türkischlehrer. Der sitzt gemeinsam mit acht anderen Konsulatslehrkräften in der Türkei und wartet bisher vergeblich auf seine Ausreise nach Deutschland. Weil es Probleme mit den erforderlichen Papieren gibt, fällt bislang in neun hessischen Schulen der muttersprachliche Unterricht aus.
„Unsere türkischen Schüler müssen jetzt am christlichen Religionsunterricht teilnehmen oder sitzen im Arabischkurs“, beschwert sich Gerd Stüber-Fehr, der Schuldirektor. Für die Kollegen sei das eine zusätzliche Belastung. „Manche müssen auch Überstunden schieben oder ich muss zusätzliche Vertretungslehrer verpflichten“, sagt der Schulleiter. Der hat in den letzten Wochen die Behörden abgeklappert, um die Einreise zu beschleunigen – bisher ohne Erfolg. Das Schulamt verwies ihn an das türkische Konsulat. Die verwiesen ihn an das Ordnungsamt und dort wurde die Schuld der Arbeitsagentur zugeschoben. Die Arbeitsagentur in Darmstadt reichte Stüber-Fehr an das Kultusministerium weiter. Der Schuldirektor hat jetzt eine Ahnung davon, wie umständlich Bürokraten arbeiten. Auf den Lehrer wartet er aber immer noch.
In anderen Bundesländern unterrichten die türkischen Lehrer bereits planmäßig. Nur in Hessen müssen die Kinder noch warten. Grund für den verspäteten Unterrichtsbeginn ist eine Umstellung im hessischen Schulgesetz und die schleppende Sachbearbeitung der türkischen Regierung. Bisher hatte die hessische Landesregierung die Kosten für den muttersprachlichen Unterricht übernommen. Seit diesem Schuljahr aber muss die türkische Regierung das Lehrpersonal schicken und bezahlen. Es ist das erste Mal, dass vom türkischen Kultusministerium Lehrer an hessische Schulen geschickt werden – und prompt kommt es zu Problemen.
„Die türkische Regierung ist in der Bringschuld“, sagt Dirk Fredl vom hessischen Kultusministerium. Lehrer aus Griechenland oder Spanien sind bereits planmäßig im Einsatz, aber das Einstellungsverfahren für Pädagogen aus Nicht-EU-Ländern ist um einiges bürokratischer. Kultusministerium und Innenministerium, die Bundesanstalt für Arbeit und die Botschaft in Ankara – viele Behörden sind an dem Prozess bis zur Arbeitsaufnahme beteiligt. Von der türkischen Botschaft in Berlin gab es gegenüber der taz noch keine Stellungnahme, wie schnell mit einer Lösung zu rechnen ist.
Im Kultusministerium heißt es inzwischen, das Visum sei nun endlich erteilt worden und man kümmere sich um einen Flug. Stüber-Fehr glaubt aber erst daran, wenn der Lehrer in seinem Klassenzimmer in Haßloch-Nord steht. „Ich habe gehört, dass es immer noch Schwierigkeiten gibt“, so der Schuldirektor.