Erinnerung an eine Heldin

GEDENKEN Widerstand: In Kreuzberg wird ein Stolperstein für Eva Mamlok gelegt

Wichtig ist festzustellen, dass es jüdischen Widerstand gegen die Vernichtung gab

VON CHRISTINA STEENKEN

Berlin-Kreuzberg im Jahr 1933. Eva Mamlok ist 14 Jahre alt. Mit einem Pinsel und einem großen Topf weißer Farbe in der Hand macht sie sich auf zu einem der damals größten Warenhäuser Berlins. Ihr Ziel ist das Hertie-Kaufhaus am Halleschen Tor. Sie klettert auf das hohe Dach und schreibt in großen Druckbuchstaben „Nieder mit Hitler“ darauf – ihre Aktion ist ein Beispiel jüdischer Gegenwehr gegen den Nationalsozialismus. Eva Mamlok war jüdische Widerstandskämpferin. Ihr zu Ehren wird nun ein Stolperstein in Kreuzberg verlegt.

Eva Mamlok wird verhaftet. Das 1918 geborene Mädchen ist jedoch viel zu jung für eine Verurteilung. Sie wird nach nur wenigen Tagen Gefängnis wieder freigelassen. Danach ist ihr Widerstandsstreben durch die Erfahrung der Verhaftung entfacht, sie macht weiter: Diesmal provoziert sie die Nazis dadurch, dass sie zwei Blumensträuße auf die Gräber von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht niederlegt. Sie wird wieder verhaftet und nun für längere Zeit eingesperrt. Lange vor Kriegsbeginn wird sie bereits öfter beim Verteilen von antifaschistischer Propaganda ertappt.

Nur wenige Details sind ansonsten über die Person Eva Mamlok bekannt. Kein Geburtsort, keine Informationen über ihren Bildungsweg oder den Hintergrund ihrer Familie. Pieter Siemsen, der mit ihr befreundet und auch für kurze Zeit liiert war, schreibt in seiner Autobiografie, dass sie weder aus der Arbeiterbewegung kam noch einen politischen Hintergrund hatte. Vielmehr war sie aus vollem Herzen gegen die Nazis und mutig genug, Taten sprechen zu lassen. Gemeinsam mit Siemsen sowie anderen Linken und Antifaschisten bildete sie einen losen Kreis von Menschen, die sich trafen, um gemeinsam über Politik zu sprechen. Siemsen verließ 1937 Deutschland, um nach Argentinien auszuwandern. Seine Eltern hielten sich bereits dort auf; sein Vater August Siemsen arbeitete als Lehrer in Buenos Aires und leitete „Das neue Deutschland“, eine politische Gruppe und Zeitung. Mamlok blieb in Berlin, wo sie des weiteren Anführerin einer illegalen Gruppe war, die aus jüdischen Mädchen bestand und sich der Antikriegspropaganda verschrieben hatte.

Diese Berliner antifaschistische jüdische Mädchengruppe wurde in den Jahren 1939–1941 zur Zwangsarbeit in der Schraubenfabrik Butzke in der damaligen Brandenburgstraße am Moritzplatz eingesetzt. Dort lernte Mamlok Inge Berner kennen, die der Widerstandsgruppe beitrat und später als einzige Überlebende über das Schicksal der Frauen berichten kann. Voller Tatendrang soll Eva Mamlok gewesen sein, stets lebensfroh und singend an der Drehmaschine in der Fabrik – am liebsten die „Dreigroschenoper“, die sie im Schlaf beherrschte. Laut Berner soll es auch eine uneheliche Tochter gegeben haben, die bei Mamloks Mutter und Schwester in der Neuenburger Straße lebte.

Im September 1941 wurden Mamlok und Berner zusammen mit Inge Levinson, einer weiteren Fabrikkollegin, denunziert. Ein Kontaktmann der Widerstandsgruppe beging Selbstmord und hinterließ belastendes Material, das die Gestapo beschlagnahmte. Die drei Frauen wurden verhaftet und in das Gefängnis am Alexanderplatz gebracht. Wegen Zersetzung der Wehrkraft des deutschen Volkes verurteilte sie ein Gericht zum Tode. Nur die Bestechung eines Offiziers konnte das Urteil der drei in einen lebenslangen KZ-Aufenthalt umwandeln. Eva Mamlok, Inge Berner und Inge Levinson kamen so im Januar 1942 in das KZ Riga, das lediglich Berner überlebte.

Über Eva Mamloks Todesort und Todesursache gibt es zwei Versionen. Die eine besagt, dass sie am 23. Dezember 1944 im KZ Stutthof in Polen ermordet wurde. Die andere, die Inge Berner erzählt, dass sie im Frühjahr 1944 im Lager Spilve in Riga arbeitete und dort an einer Blutvergiftung starb.

Ohne Zweifel war Eva Mamlok eine mutige Kämpferin, die mit ihren Taten bewies, dass der Widerstand gegen Hitler auch von Juden mitgetragen wurde. Zwar waren die Möglichkeiten zum Widerstand begrenzt und durch die fehlende Solidarität aus der Gesellschaft eine erfolgreiche Auflehnung fast unmöglich. Wichtig ist aber, festzustellen, dass es den jüdischen Widerstand gegen Unmenschlichkeit und Vernichtung gab. Dieser Meinung ist auch Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Freund des 2004 verstorbenen Pieter Siemsen. Bei Recherchen war Kaleck auf Mamloks Widerstandstätigkeit gestoßen, er setzte sich für eine Stolpersteinlegung zu ihrem Gedenken ein.

Der Stolperstein wird heute um 14.40 Uhr an der Neuenburger Straße 1 in Kreuzberg verlegt.