hamburg heute : „Kriegsverräter ausgelassen“
Vortrag zum Thema „Soldaten und Zivilisten vor den Gerichten der Wehrmacht“
taz: Herr Wette, Sie halten einen Vortrag zur NS-Militärjustiz. Ist da nicht mittlerweile alles bekannt?
Wolfram Wette: Nein. Der Kern meiner Ausführungen wird von den wegen Kriegsverrat verurteilten Wehrmachtssoldaten handeln. Kollegen und ich haben eine Dokumentation über alle verfügbaren Urteile veröffentlicht, die wegen Kriegsverrats ergangen sind. Unter dem Begriff wurden alle möglichen widerständigen Handlungen subsumiert, zum Beispiel der „unerlaubte Umgang mit Kriegsgefangenen“.
2002 hat der Bundestag aber doch alle Urteile der Wehrmachtsjustiz aufgehoben.
Nein, im „NS-Unrechts-Aufhebungsgesetz“ hat man 1998 die Deserteure ausgespart. Dann hat es nochmal vier Jahre gedauert, bis man unter Rot-Grün auch die Deserteure rehabilitiert hat. Damals hat man aber ausdrücklich die Gruppe der „Kriegsverräter“ ausgelassen.
Gemeinsam mit Ihnen sprechen wird Ludwig Baumann.
Ja, er ist der bekannteste Zeitzeuge. In seiner Haft als Deserteur ist er selbst einem wegen Kriegsverrat verurteilten Soldaten begegnet. Darüber wird er sprechen.
Ihr Ziel ist die Rehabilitierung der „Kriegsverräter“?
Die Rechtspolitiker müssen davon überzeugt werden, dass sie hinsichtlich des Kriegsverrats bislang falsche Vorstellungen hatten. Jeder, der den Widerstand gegen die Nationalsozialisten als rehabilitierungswürdig ansieht, muss diese Leute mit ins Boot nehmen.
19 Uhr, Curiohaus, Rothenbaumchaussee 15 (Raum A)
WOLFRAM WETTE, 66, ist Historiker