: Ein zweifelhaftes Mandat
RECHT Der geplante Ausbildungseinsatz deutscher Soldaten und Soldatinnen im Nordirak steht juristisch gesehen auf sehr wackligen Füßen
FREIBURG taz | Die militärische Unterstützung für die irakischen Kurden ist verfassungsrechtlich zweifelhaft. Allerdings kann das Bundesverfassungsgericht wohl kaum eingeschaltet werden.
Ein Auslandseinsatz der Bundeswehr ist nur zulässig, wenn er die Anforderungen des Völkerrechts und des deutschen Verfassungsrechts beachtet. Völkerrechtlich ist der Irakeinsatz kein Problem, da eine Einladung der irakischen Regierung vorliegt.
Verfassungsrechtlich ist bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr eine vorherige Zustimmung des Bundestags erforderlich, wenn zumindest zu erwarten ist, dass die Soldaten in „bewaffnete Unternehmungen“ verwickelt werden. Im Irak sollen die deutschen Soldaten aber nicht kämpfen, sondern nur kurdische Einheiten ausbilden, das ginge möglicherweise auch ohne Mandat. Die Bundesregierung will aber den Bundestag lieber einbinden und hat deshalb Mitte Dezember einen entsprechenden Antrag gestellt.
Inhaltlich sind Auslandseinsätze zulässig, wenn sie im Rahmen eines „Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ (etwa der UNO) oder zur „Verteidigung“ erfolgen. Die Bundesregierung beruft sich auf Ersteres. Der Einsatz erfolge im Rahmen einer „internationalen Allianz von Staaten“, zu der bereits sechzig Partner gehören. Auch sei der Einsatz durch Äußerungen von UN-Gremien abgedeckt.
Diese Argumentation ist nicht überzeugend. Eine lose „Koalition der Willigen“ ist weder ein festes „System“ noch beruht sie auf „Gegenseitigkeit“. Ein UN-Mandat liegt ebenfalls nicht vor. Die von der Bundesregierung zitierten Äußerungen des UN-Sicherheitsrats und seines Vorsitzenden haben keinen verbindlichen Charakter. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Gutachten, das der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags im Januar erstattet hat.
Der Wissenschaftliche Dienst hält den Irakeinsatz dennoch nicht für verfassungswidrig, denn er diene der „Verteidigung“ im Sinne von Artikel 87a Grundgesetz. Damit sei nicht nur die Verteidigung des Bundesgebiets gemeint, sondern jede Verteidigung irgendwo in der Welt. Hier gehe es um die Verteidigung des Irak gegen den IS, bei der die Bundeswehr „Nothilfe“ leiste.
In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird der Begriff „Verteidigung“ tatsächlich überwiegend weit ausgelegt. Doch im Irak liegt nicht einmal ein Angriff von außen vor, sondern eher ein Bürgerkrieg.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen lehnt solche Argumente ebenfalls ab. Die Bundeswehr solle nicht „weltweit als Nothilfestreitkraft zur Verfügung“ stehen. Er schlägt stattdessen vor, den Irakeinsatz in EU-Strukturen einzubetten, schließlich seien auch andere EU-Staaten vor Ort aktiv. Der EU-Rahmen wäre dann ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“. Das allerdings wird kurzfristig wohl nicht mehr gelingen.
Viel passieren kann der Bundesregierung freilich nicht, solange der Bundestag mit Mehrheit zustimmt. Denn es ist fast aussichtslos, die Frage vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. Eine Organklage der Opposition passt nicht, weil diese beteiligt wird und damit nicht in eigenen Rechten verletzt ist.
Auch eine abstrakte Normenkontrolle gegen den Bundestagsbeschluss ist kaum möglich, weil dazu ein Viertel der Abgeordneten nötig wäre, aber die Opposition nur auf zwanzig Prozent der Sitze kommt. Zudem lehnt Karlsruhe bisher eine allgemeine Verfassungs- und Völkerrechtsaufsicht in der Militärpolitik ab und sichert im Wesentlichen nur die Rechte des Bundestags.
CHRISTIAN RATH