: Bildung ist harte Arbeit für wenig Geld
Eine Reisegruppe der Gesamtschule Bremen-West besuchte ihre Partnerschule in Tansania. Ein Bericht von Wolfgang Liesigk, Lehrer an der GSW und Motor des Projekts
Njombe ist eine Kleinstadt in den Southern Highlands von Tansania. Eine Bremer Reisegruppe der Gesamtschule West hat es dahin verschlagen –es ging um die Intensivierung der Schulpartnerschaft mit der örtlichen „Venite School Njombe“.
Schulleiter Mr. Mwinuka begrüßt Bremer die siebenköpfige Bremer Reisegruppe an der mit Pfützen übersäten Busstation. Er bietet den Gästen ein üppiges Abendessen mit Reis, Kassavagemüse, Bohnen, Hühnchen, Salat, Softdrinks sowie Bier an. Das Wellblech seines Backsteinhauses hält den prasselnden Regen ohne weiteres ab. Sturzbäche ergießen sich in den ungepflasterten Hof. Uns beschert die Wetterlage eine rutschige Fahrt über rote Erde und Schlaglöcher zum Hotel. Davon gibt es in Njombe mittlerweile fast ein halbes Dutzend mit gutem Standard. Mehr als 20.000 Einwohner hat der ehemalige Marktflecken und jetziges Handels- und Verkehrszentrum des kühlen, weil 1.600 Meter hoch gelegenen Südens. Kirchen und Eukalyptusbäume überragen einstöckige Wohnhäuser sowie mit Waren gut gefüllte Geschäfte entlang der hügeligen Hauptstraße. Drumherum erwirtschaften Bauern ihre Existenzgrundlage mit dem Anbau von Gemüse, Weizen, Mais und Kartoffeln. Leider findet die vorbildliche ökologische Teeproduktion in Deutschland keinen angemessenen Markt. Wie auch umgekehrt der Absatz technischer Geräte aus den Industrieländern bei einem Jahresbruttonationaleinkommen von 300 US-Dollar pro Person kaum rentiert. Trotzdem lautet das erklärte Ziel eines jeden aufstrebenden Haushalts, möglichst Fernseher und DVD-Player zu besitzen.
Am ersten Tag unserer Delegationsreise zelebriert die Schulgemeinde einen herzlichen Empfang. Die private Internatsschule entstand vor drei Jahren auf Initiative von Lehrern und Bauern aus umliegenden Dörfern – mangels staatlicher Angebote. Sie finanziert sich aus Schulgeldern, einer lokalen Bildungssteuer und Spenden. Mr. Mwinuka: „Unser Projekt der Schulgründung kommt von ganz unten, den einfachen Leuten. Wir wollen damit einen entscheidenden Schritt vorwärts gehen, um die Armut zu beseitigen. Wir sind voller humanitärer Ideale, allerdings ohne Geld und glauben daran, durch harte Arbeit unsere Ziele zu erreichen.“ Zur Zeit besuchen knapp zweihundert Schülerinnen und Schüler die Schule, die am Rande der Distriktstadt auf einer Anhöhe liegt. Unterrichtsräume und Schlafsäle sind errichtet, selbst eine Aula fertig gestellt. Letztere verlangt die Administration obligatorisch zur Abhaltung von Prüfungen.
Das Schulgeld kostet einschließlich Logis und Essen pro Person 200 Euro im Jahr. Für die meisten Familien ein Vermögen und von vielen Angehörigen zusammen gespart. Aber entsprechend gering fällt das Gehalt der sieben Lehrkräfte aus: 80 Euro pro Monat. Dafür müssen sie von morgens 7:30 Uhr bis nach 18:00 Uhr rackern, Aufsichten und Freizeitangebote inbegriffen. Die Betreuung der Internatsschüler, strikt in Mädchen- und Jungenunterkünfte getrennt, kommt hinzu.
Schafft das Personal der Venite School trotz enormer Belastungen auch den erforderlichen Wissensstand, um ihren Schülern eine fundierte Bildung und dadurch bessere Zukunft zu bescheren? Geschichtslehrerlehrer Mr. Mahali erläutert: „Ein Leistungsnachweis erfolgt anhand von Vergleichsarbeiten im nationalen Ranking, welchem sich alle Sekundarschulen des Landes unterziehen müssen. Wir liegen gut im Schnitt.“
Wir haben das Angebot mitgebracht, das dringend notwendige neue Mädchenwohnheim zu finanzieren. Die Schlafunterkunft bietet fünfzig Personen Platz und kostet insgesamt 10.000 Euro. Etwas mehr als die Hälfte ist bereits überwiesen, gespendet während einer Versammlung in Bremen von Mitgliedern des Schulpartnerschaftsvereins. Das Fundament ist fertig gemauert und die restlichen Bauarbeiten fallen durch den Einsatz straffällig gewordener Jugendlicher im Rahmen eines Resozialisierungsprogramm preiswerter aus.
Ansonsten vermisst die Venite Gemeinde noch Etliches, Schulbücher zum Beispiel und didaktisches Equipment zur Durchführung modernen Unterrichts. Knapp fünfzig Mathematik- und Physikbücher spendieren wir spontan. Weitaus gravierender ist jedoch, dass es nicht mal Elektrizität gibt. Müßig, dann über fehlende Computer oder einen Internetanschluss zu lamentieren. Einen solchen können sich in Tansania nur sehr wenige erlauben. Geografielehrer Mr. Ndendya: „Wir gehören ja nicht wie ihr zu den globalisierten Ländern.“ Allein der Einrichtungspreis für einen Internet-Anschluss entspricht dem Jahresgehalt eines Lehrers und laufende Monatskosten betragen mehr als 50 Euro.
„Ins Netz“ gehen bei zunehmendem Bedarf überwiegend junge Leute, die dann ein Internetcafe zum Stundentarif von 1,20 Euro aufsuchen. Zur Erleichterung der Kommunikation erhält die Venite School von uns ein in Deutschland gestiftetes Notebook. Darauf können nun die Schüler ihre Mails tippen und nach Fertigstellung auf einem Memory-Chip vom Internetcafe aus versenden.
Dass solche Kontakte funktionieren und Horizonte erweitern, zeigt die fünfzehnjährige Afrika- Erfahrung der Bremer Gesamtschule. Höhepunkte stellen die gegenseitigen Besuche dar. Das klappte bisher ein halbes Dutzend mal, auch unter Beteiligung von SchülerInnen der so unterschiedlichen Kontinente, die bei Familien wohnten.
Unser Besuch endete freundschaftlich. „Es ist eine tolle Sache zusammen zu sein und miteinander zu reden. Das bringt uns wirklich voran“, meinte Schulleiter Mr. Mwinuka.