: Grüner Klecks auf dem Börsenparkett
INVESTIEREN An der Osloer Börse startet die weltweit erste spezielle Liste für zertifizierte grüne Unternehmensanleihen. Der Markt wächst rasant – doch fehlende Standards sind ein Problem
STOCKHOLM taz | „Wir sind die weltweit erste Börse mit einer speziellen Liste für grüne Bonds, aber ich bin sicher, dass andere uns bald folgen werden“, sagt Bente Avnung Landsnes, Direktorin der Börse in Oslo. „Denn immer mehr wollen ja in grüne Projekte investieren.“
Mit dem neuen Angebot, das die Oslo Børs Ende vergangener Woche gestartet hat, wird das für KapitalanlegerInnen nun einfacher. „Wir wollen diese Anlagealternative sichtbarer machen“, sagt Landsnes. Und weil nur Anleihen in die Liste aufgenommen werden, die ein unabhängiges Zertifizierungsverfahren durchlaufen haben, könnten AnlegerInnen sich auch sicher vor Greenwashing fühlen.
Bislang stehen fünf Unternehmensanleihen auf der neuen Liste. So will sich beispielsweise der norwegische Energieversorger Vardar am Kapitalmarkt Geld leihen – 300 Millionen Kronen (rund 34 Millionen Euro), mit denen er neue Projekte im Bereich Wasser-, Wind- und Bioenergie in Skandinavien und dem Baltikum vorantreiben will. Diese und das Unternehmen selbst sind von der Klassifizierungsgesellschaft Det Norske Veritas/Germanischer Lloyd zertifiziert worden, die auch die Durchführung der Projekte überwachen. Als weitere Zertifizierer erkennt die Börse die Schweizer KPMG und das norwegische Klimaforschungszentrum Cicero an.
Es ist deshalb auch Eigeninteresse, wenn Cicero-Direktorin Kristin Halvorsen die grüne Liste der Oslo-Börse als „ausgesprochen positiv“ bewertet. Ihre Einschätzung, dass „grüne Anleihen ein wichtiger Teil zur Lösung der Klimaproblematik“ sind und die neue Liste dazu beitragen werde, das Interesse an solchen Zertifikaten zu steigern, teilt aber auch Sean Kidney, Direktor und Mitbegründer der britischen Climate Bonds Initiative, einer Not-for-profit-Organisation. Laut deren Berechnungen wurden 2014 grüne Anleihen in Höhe von 36,6 Milliarden Dollar ausgegeben, dreimal so viel wie noch im Jahr davor. Für 2015 hält die Initiative eine Steigerung auf 100 Milliarden Dollar für realistisch.
Den geforderten Zertifikationsstandard für die Aufnahme in die Liste finden Halvorsen wie auch Kidney unabdingbar. Bislang gibt es keine Vereinheitlichung darüber, was sich „grüner Bonds“ nennen darf. Wie die Anleihen bezeichnet werden, entscheidet der Herausgeber selbst. Deshalb würden durchaus „Projekte mit zweifelhaftem Umweltnutzen unter diesem Label vermarktet werden“, sagt Kidney.
Inzwischen arbeiten verschiedene Fachkomitees an verbindlichen Standards. Für Wind- und Solarenergieprojekte gibt es inzwischen entsprechende Kriterien, demnächst sollen Richtlinien für ökologisches Bauen und Low-carbon-Transporte folgen.
Cicero-Klimafinanzexpertin Christa Clapp hofft auch deshalb, dass ein Ende der „Wildwest-Zustände“ auf dem Markt der grünen Anleihen bald in Sicht sein wird. REINHARD WOLFF