: Besonnener Stratege für EnBW
Seit Montag steht der 49 Jahre alte Hans-Peter Villis an der Spitze der EnBW in Karlsruhe, dem drittgrößten deutschen EnergieunternehmenFOTO: ARTIS
In der Karlsruher Zentrale der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) dürfte jetzt Ruhe einkehren. Utz Claassen, der 44-jährige Manager mit dem Rambo-Image, hat mit Ablauf seines Vertrages nach viereinhalb Jahren am Wochenende seinen Sessel geräumt. Gestern trat der Neue an: Hans-Peter Villis, 49 Jahre alt, Ökonom aus dem Ruhrgebiet. Er war zuletzt Finanzchef bei der skandinavischen Eon Nordic in Malmö.
In der deutschen Energielandschaft ist Villis noch weitgehend unbekannt, doch sein Ruf eilt ihm bereits voraus: Villis gilt als bodenständig, seine Art als ruhig, sachlich und besonnen. Der Vater zweier Kinder war vor seinem Ausflug nach Schweden als Vorstandsmitglied beim Gas- und Wasserversorger Gelsenwasser und als Vorstandschef der Paderborner Eon Westfalen Weser AG tätig. Sein Vertrag bei der EnBW läuft fünf Jahre. Das Unternehmen ist mit einem Jahresumsatz von 13 Milliarden Euro drittgrößter deutsche Stromversorger.
Obwohl Villis keine Erfahrung im Topmanagement hat, galt er schon länger als zu Höherem berufen – spätestens seit er 1993 die Städtischen Werke Magdeburg aufbaute. Große Fähigkeiten als Moderator werden ihm nachgesagt, und er gilt als jeden Standesdünkels unverdächtig – das Gegenstück also zu Claassen, der stets als schillernder Ellenbogenkämpfer angeeckt war.
Obwohl Villis als fähiger Stratege gilt, sieht ihn mancher in der Branche als Kompromisskandidat. Denn er war der Einzige, der am Ende bei beiden Hauptanteilseignern der EnBW – der Électricité de France und dem Kommunalverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke – auf Akzeptanz stieß.
Zugute kommt Villis seine Erfahrung mit Kommunen. Denn als Chef der Elektrizitätswerke Wesertal in Hameln hatte er die Fusion von drei Kommunalversorgern zur neuen Eon Westfalen Weser managen müssen. Dass Villis nun seinen ersten Arbeitstag in Diensten der EnBW dazu nutzen wollte, sich dem Städtetag Baden-Württemberg vorzustellen, ist entsprechend ein deutliches Signal an die kommunalen Eigner des Konzerns.
Ursprünglich lief Claassens Vertrag bis Ende April 2008, doch im Juli hatte das Unternehmen verkündet, Claassen und der Aufsichtsrat hätten „im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart“, dass der Wechsel bereits zum 1. Oktober stattfinde. Spekuliert wird in der Branche, dass der frühere Abgang auch mit einem Prozess zusammenhängt, der Claassen in Kürze bevorsteht: Vom 6. November an muss er sich wegen Vorteilsgewährung vor dem Landgericht Karlsruhe verantworten – er hatte Landespolitikern vor zwei Jahren Gutscheine für kostenlose WM-Eintrittskarten angeboten. BERNWARD JANZING