DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Phillipp, 27, unzerstückelt
WAS SAGT UNS DAS? Jetzt sucht der RTL-Bauer einen Mann. Darf der das? Oh ja! Denn damit wird wieder mal alles ein Stück normaler
Phillipp ist Landwirt, 27 Jahre alt, schwul und auf der Suche nach einem Partner. Bei ARD und ZDF würde eine solche Biografie garantiert in irgendeinen Problemzusammenhang münden: Phillipp würde Opfer eines Verbrechens, seine Extremitäten fände man verstreut in einem möglichst deprimierend-provinziellen Umfeld. Oder er würde gemobbt und müsste seinen Beruf am Ende aufgeben, um in die nächste Großstadt zu ziehen.
Nicht so bei RTL: Am heutigen Montagabend wird Phillipp, Landwirt, 27 Jahre alt und schwul, als erster Homo in der Kuppelshow „Bauer sucht Frau“ auftreten, die entsprechend „Bauer sucht Mann“ heißt. Moderatorin Inka Bause freut sich besonders, denn sie habe schon des Öfteren versucht, einen schwulen Kandidaten für ihre Erfolgsshow zu finden – die meisten seien jedoch kurz vorher abgesprungen: Zu stark war der Druck, zu groß die Angst, fürderhin kein unbehelligtes Leben mehr führen zu können.
Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle gehören allerdings längst ganz selbstverständlich zum Personal des sogenannten Unterschichtsfernsehens. Der Rummel im Vorfeld der Ausstrahlung von „Bauer sucht Mann“ beruht auf einem ganz schlichten Tabubruch: Berufe, die mit traditioneller Männlichkeit assoziiert werden, können doch wohl nicht von Homos ausgeübt werden. Und wenn doch, so hofft der Zuschauer insgeheim, wird es sicher was zu lachen geben. Frei nach Hape Kerkelings „Das ganze Leben ist ein Quiz, und wir sind nur die Kandidaten“ muss man der heutigen Sendung nicht gramzerfurcht entgegenblicken. In den medialen Verwertungskreislauf eingespeist zu werden ist auch eine Form von Normalisierung.
Und was die tatsächlichen Probleme von Schwulen und Lesben auf dem Lande angeht: ARD und ZDF, übernehmen Sie!
MARTIN REICHERT