Kerngruppen müssen draußen bleiben

BEWEGUNG Auch am Montag treffen sich Occupy-Begeisterte vor dem Reichstag, um gemeinsame Perspektiven zu suchen. Über einen Punkt herrscht Einigkeit: Anführer haben hier nichts verloren

Am Montagnachmittag haben sich auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude wieder rund 150 Angehörige der „Occupy Berlin“-Bewegung versammelt. Die in Alter und Kleidungsstil gemischte Gruppe diskutiert das Vorgehen und die Perspektiven ihrer Bewegung. Ein Konsens bildet sich nicht heraus. Für Florian (29), der seit Beginn der Proteste in Spanien als Beobachter und Blogger dabei ist, stellt das kein Problem dar: Es gehe nicht nur um politische Ziele, sondern um ein neues gesellschaftliches Miteinander.

Auf der Reichstagswiese äußert sich das im Rederecht für alle (s. auch Text rechts). Dementsprechend unterschiedlich fallen die Beiträge aus: Während einige einen Systemumsturz der herrschenden Tyrannei bzw. Finanzoligarchie fordern, kümmern sich andere um praktische Aspekte wie die Einrichtung von Blogs. In einem sind sich alle einig: Die Bewegung brauche keine Vertreter und keine Kerngruppe, die Entscheidungen für die Gesamtheit treffen. Man repräsentiere 99 Prozent der Weltbevölkerung – so ein englischsprachiger Teilnehmer –, da könnten nicht Einzelne für alle bestimmen.

So bleibt es, wie Florian sagt, vorerst bei „dezentraler und hierarchiefreier Kommunikation und Vernetzung“. Über Blogs und Facebookgruppen könne jeder an der Debatte teilnehmen und deren Ausrichtung bestimmen. Auch die weiteren Treffen sollen per Internet organisiert werden. Eile, Entscheidungen zu treffen, haben die Beteiligten nicht. Zunächst einmal, schlagen einige vor, könne versucht werden, neue Leute zu werben und zumindest ein paar gemeinsame Forderungen aufzustellen. In den nächsten Wochen sollen sich dazu Interessierte jeden Tag um 15 Uhr auf der Wiese vor dem Reichstag zusammenfinden und diskutieren.

Ob das Konzept auch funktioniere, wenn nicht jeden Tag die Sonne scheint? Ja, glaubt Florian: Längst sei der Prozess nicht mehr aufzuhalten. Wenn zu den Diskussionsrunden auf der Wiese keiner mehr komme, werde das Geschehen eben wieder wie vorher ins Internet verlegt. Das Entscheidende an der Bewegung, sagt er, seien ja nicht konkrete Ergebnisse, sondern die Debatte selbst – der „kollektive Bewusstseinswandel“. MARLEN KESS

Die Bewegung im Netz: http://alex11.org/ http://occupyreichstag.blogsport.de/