: Fremde Welten entwickeln
Das Schreiben von Drehbüchern ist ein künstlerischer Prozess. Doch dieser gelingt nur, wenn das Handwerkszeug beherrscht wird. Dieses Know-how vermittelt die Drehbuchschule Berlin
VON TILMAN VON ROHDEN
Nicht nur Schauspieler träumen vom „Oscar“. Auch Drehbuchschreiber tun dies. Das glaubt zumindest Wolfgang Pfeiffer, der in Berlin eine Drehbuchschule leitet. Seine Absolventen hätten allzu oft öffentliche Ehre und viel Geld im Kopf. Dabei lehrt die Erfahrung, dass für Drehbuchautoren das eine so unwahrscheinlich ist wie das andere.
Drehbuchschreiber leben im Verborgenen. Sie tragen wesentlich zum guten Film bei, doch das Publikum kennt sie kaum und schüttet stattdessen sein Lob über Schauspieler und Regisseure aus. Schon der Produzent wird vom Massengeschmack kaum noch wahrgenommen. Ganz zu schweigen von den Drehbuchautoren.
Pfeiffer will den Besuchern seiner Drehbuchschule weniger die unmittelbare Arbeit am Text vermitteln. Denn Drehbuchschreiber müssten sich auf den filmischen Wirkungsprozess ihrer Entscheidungen konzentrieren, so dass Spannung und Interesse beim Zuschauer entstehen und über 90 Minuten aufrechterhalten werden. Deswegen erklärt Pfeiffer seinen Schülern, ein guter Film entführe den Zuschauer in eine andere Welt. Das Ziel sei erreicht, wenn sich beim Zuschauer „Weltentrücktheit“ einstelle.
Das Schreiben von Drehbüchern ist für Pfeiffer im Wesentlichen ein künstlerischer Prozess und kein Handwerk. Zu lernen sei es am besten durch learning by doing. Die Techniken, Zuschauer emotional zu binden, sind für ihn Mittel zum Zweck. Pfeiffer beschreibt diese Techniken in seinen Seminaren als Instrumente, emotionale Zustände beim Zuschauer zu evozieren. Dazu brauche es zwar handwerkliches Können, doch am Ende entscheide die künstlerische Gestaltung des Stoffs, ob ein Drehbuch es wert sei, verfilmt zu werden. Um den künstlerischen Prozess des Schreibens inhaltlich zu fundieren, vermittelt er Film- und Dramentheorie, spricht über inszenierte Welten, schaut sich mit seinen Absolventen Kinostreifen an und diskutiert, mit welchen Entscheidungen bestimmte Rezeptionsziele erreicht werden können. Dabei macht er sich ein Credo des Regisseurs John Ford zu eigen: „In einem Film kann man alles erzählen, solange es interessant ist.“
Die Drehbuchschule bietet Schnupperkurse, mehrtägige Workshops und Seminare, die über neun Monate gehen, an. Die Einführungen entließen keine fertigen Drehbuchautoren, sagt Pfeiffer. Sein Ziel sei es, „Lust auf mehr“ zu machen. In den neunmonatigen Seminaren sitzen deshalb oft Teilnehmer, die er über seine Einführungskurse gewonnen hat. Die Mischung ist bunt: darunter Studenten, Filmregisseure und Produzenten, Schauspieler und Journalisten. Manche wollen einfach ihren monotonen Beruf vergessen und neue Erfahrungen machen. „Selbstverwirklichung ist oft die Motivation, meine Kurse zu besuchen“, sagt Pfeiffer. Auch für Berufstätige ist der Besuch seiner Drehbuchschule möglich, denn er bietet seine Kurse in Form von Blockseminaren wie auch als Wochenendveranstaltung an. Am Ende läuft es immer auf 28 Tage Schulung hinaus. In den Zwischenzeiten arbeiten die Absolventen an ihren Drehbüchern, die nach neun Monaten fertig vorliegen sollen. Die Produktorientierung mache den mehrmonatigen Kurs lohnenswert, so ein Teilnehmer. Der Wechsel von häuslichen Arbeits- und Schulungsphasen zwinge zur Disziplin: „Ich sehe mich ständig mit der Frage konfrontiert, ob ich im Plan liege. Der Kurs treibt an und motiviert.“
Unter dem sanften Zwang, der Klasse und ihrem Dozenten regelmäßig von den Arbeitsfortschritten berichten zu müssen, ringen sich die Kursteilnehmer über Wochen und Monate die Seiten ab. Schreiben heißt meist Qual. Probleme mit der Disziplin, Selbstzweifel und Schwierigkeiten, eine Idee systematisch zu entwickeln und zu Papier bringen, fängt Pfeiffer durch Einzelberatungen auf. Und wenn es gar nicht mit der Verschriftlichung des Konzepts klappen will, schlägt Pfeiffer einen Krimi vor. Denn dieses Genre sei von Anfängern am leichtesten zu bewältigen, weil der Plot immer gleich sei: Ein Kommissar will einen Mörder fassen. Dieser vorgegebene Rahmen helfe, die anfängliche gedankliche Unbestimmtheit zu ordnen.
Pfeifer erwartet von seinen Kursteilnehmern nicht, dass sie mit einer fertigen Idee für ein Drehbuch in seine Seminare kommen. Wenn es so wäre, wäre es ihm gar nicht so lieb. „Viele Türen sind in diesem Fall von vornherein verschlossen.“ Sein Seminar zielt darauf, dass sich erste wage Ideen der Teilnehmer ordnen, zu einem Kern verdichten und in einem fertigen Drehbuch münden. Seinen Absolventen bietet er anschließend ein zweijähriges Coaching für weitere Drehbücher an, wobei seine „Ars Dramatica Scriptagentur“ sich darum kümmert, fertige Drehbücher bei Film und Fernsehen unterzubringen.