: Gefährlicher als der Irak
PRESSEFREIHEIT Trotz seiner vielfältigen Medienlandschaft ist Pakistan eines der unsichersten Länder für Journalisten weltweit. Auch ausländische Sender wie CNN sollen ihre Mitarbeiter nicht ausreichend schützen
JOURNALIST NAVEED AHMAD
VON DANIEL BAX
Der brutale Mord an dem pakistanischen Journalisten Saleem Shahzad, der mitten in der Hauptstadt Islamabad entführt und zwei Tage später tot in einem Kanal aufgefunden worden war, hat im Juni weltweit für Entsetzen gesorgt.
Menschenrechtler und Journalisten waren sich schnell einig, wer für seinen Tod verantwortlich war: Weil der renommierte Autor Shahzad, der auch für internationale Medien arbeitete, auch über die engen Verbindungen zwischen Pakistans Militär und islamistischen Terrorgruppen recherchiert hatte, fiel der Verdacht sofort auf den pakistanischen Geheimdienst ISI. Weniger Aufmerksamkeit erregte dagegen bisher die Tatsache, dass dieser Mord nur den Höhepunkt einer traurigen Entwicklung darstellt. Denn Pakistan ist schon seit geraumer Zeit für Journalisten das gefährlichste Land der Welt.
Zwar besitzt Pakistan eine ausgesprochen vitale und vielfältige Medienlandschaft, die in der Region heraussticht. Die Liberalisierung des Rundfunkmarktes seit 2002, die noch unter dem Militärregime von General Pervez Musharraf stattfand, hat zu einem Boom privater Fernsehstationen geführt: Neben zahlreichen Nachrichtensendern gibt es eine Vielzahl von Comedy-Kanälen und religiösen Programmen. Doch mit dieser Vielfalt hat in den letzten Jahren auch der Druck auf die Medien zugenommen. Gewaltsame Übergriffe gegen Journalisten gehören inzwischen fast schon zum Alltag. Am gefährlichsten sind die föderalen Stammesgebiete und die Gebiete im Nordwesten, die an Afghanistan angrenzen.
In den vergangenen 18 Monaten sind in Pakistan 16 Journalisten getötet worden, meldet der Verband Reporter ohne Grenzen – mehr als zur selben Zeit in Irak oder Libyen. Die South Asian Free Media Association (Safma) berichtet von 48 Journalisten, die seit 2004 starben – 29 wurden Opfer gezielter Tötungen, die anderen gerieten zwischen die Fronten und starben. Deren Vorsitzender Imtiaz Alam forderte bei einer gemeinsamen Tagung von pakistanischen und deutschen Journalisten, die von der Heinrich-Böll-Stiftung kürzlich in Lahore veranstaltet wurde, von Politik und anderen Machtgruppen mehr Respekt für die Pressefreiheit ein. Gleichzeitig zeigte er sich hilflos, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Denn die Angriffe gehen oft von radikalen Gruppen und kriminellen Banden aus, die außerhalb staatlicher Kontrolle agieren.
Ein Konfliktthema, das auf der Tagung diskutiert wurde, waren die Arbeitsbedingungen für Journalisten in Pakistan. Große Medienhäuser seien nicht in der Lage und oft auch nicht gewillt, für ausreichenden Schutz oder auch nur eine angemessene Bezahlung ihrer Mitarbeiter zu sorgen. Dem Medienverband Safma wurde von einigen Journalisten vorgeworfen, dieses Problem nicht offensiv genug anzugehen.
Auch ausländische Medien wie CNN wurden von dieser Kritik nicht ausgespart. Deren Korrespondenten stützen sich für Recherchen vor Ort oft auf einheimische Kräfte. Diese aber würden in Gefahr gebracht, wenn man sie mit unverantwortlichen Aufträgen betraue – etwa damit, beim Geheimdienst heikle Anfragen zu stellen. „Man sollte pakistanischen Journalisten keine Aufträge zumuten, die man nicht selbst übernehmen würde“, kritisierte etwa der Journalist Naveed Ahmad.
Diskutiert wurde auf der Tagung auch die Rolle der pakistanischen Medien selbst. Vor allem den urdusprachigen Medien warf Safma-Vorsitzender Imtiaz Allam vor, sich mit politischen Interessengruppen gemein zu machen: Sie sollen Stimmung gegen Minderheiten und abweichende Meinungen schüren.
Medien in Urdu werden vor allem von der Bevölkerung abseits der großen Städte gelesen. Die englischsprachigen Medien in Pakistan richten sich hingegen an die urbane Elite und die Meinungsmacher des Landes – sie gelten in ihrer Ausrichtung daher als liberaler und professioneller.