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Archiv-Artikel

Jedem Kind seine Geige

An Grundschulen soll ab 2009 jedes Kind ein Instrument spielen. Benötigt werden 30.000 Instrumente und hunderte Lehrer. Die erste Großspende reicht aber nur für sieben Modellschulen

VON KAIJA KUTTER

Mit Alexandra Dinges-Dierig (Bildung), Karin von Welck (Kultur) und Jörg Dräger (Wissenschaft) kamen gestern gleich drei Senatoren in die Hamburger Hochschule für Musik und Theater, um eine „kleine Bombe platzen zu lassen“, wie es hieß. Ab 2009 soll in Hamburg jedes Grundschulkind ein Musikinstrument seiner Wahl lernen. Zur Finanzierung der bis zu 30.000 Instrumente werden noch Sponsoren gesucht.

Den Anfang machte gestern das Unternehmerpaar Elke und Horst Dörner, das einen Blankoscheck in unbekannter Höhe überreichte. Als Lohn dafür wurden sie von Musikhochschul-Präsident Elmar Lampson zu Ehrensenatoren der Hochschule ernannt, handele es sich doch „um die größte Förderung, die der Bereich Musikpädagogik jemals erhalten hat“.

Das Geld des Baustoff-Entsorgers reicht jedoch zunächst nur für den Start des Projekts. Schon jetzt kooperiert die Musikhochschule dafür mit den sieben Pilotschulen, die nach den Herbstferien in ihren 1. Klassen mit der musikalischen Schulung beginnen. In der 2. Klasse lernen die Kinder dann alle Instrumente von Trompete über Keyboard bis zur türkischen Saz kennen, um sich zu entscheiden und dann in der 3. und 4. Klasse das Spiel an einem Instrument zu üben.

„Die Spende reicht für die Instrumente an diesen sieben Schulen und für die Ausbildung der Instrumentallehrer“, erklärt Dinges-Dierigs Sprecher Alexander Luckow. Für die übrigen Schulen suche Kultursenatorin von Welck weitere Mäzene. Wie viele neue Instrumentallehrer gebraucht werden, wenn die Musikoffensive im Schuljahr 2008/2009 in die Fläche geht, konnte Luckow nicht sagen. Es handle sich aber um eine „dreistellige Zahl“.

Geplant sei, bereits unterrichtende Musiklehrer zum Instrumentallehrer fortzubilden. Dies soll an der Musikhochschule geschehen. Zugleich werden Instrumentallehrer, die privat oder an der Jugendmusikschule unterrichten, pädagogisch fortgebildet. Die Lehrkräfte soll laut Luckow später die Stadt bezahlen. Das Instrumentelernen solle innerhalb der vier wöchentlichen Kunst- und Musikstunden sowie in der morgendlichen Eingangsphase stattfinden. Die Frage, ob dafür neue Stellen vorgesehen seien, verneinte Luckow.

Der Verband der Musikschullehrer ist skeptisch. „Wir finden es zunächst ganz wunderbar, wenn der Senat so ein Projekt angehen möchte“, sagte der Hamburger Verbands-Vorsitzende Hans Jünger. Aber ein Problem sei, dass es die benötigen Instrumentallehrer „auf dem Markt gar nicht gibt“. Zudem habe sich bei einem ähnlichen Projekt, das die Jugendmusikschule seit drei Jahren an fünf Schulen betreue, gezeigt, dass sich Instrumentallehrer schwer tun, in Gruppen zu unterrichten. Jünger: „Da landet man schnell bei fünf Minuten Einzelunterricht für jeden.“

Ohnehin sei es ein „Minimum“, dass jede Klasse während des Instrumentelernens geteilt werde. Jünger: „Ohne zusätzliche Personalmittel ist das völlig undenkbar“. Für eine Doppelbesetzung besagter vier Musikstunden sind nach taz-Rechnung rund 330 Stellen nötig.

Jünger befürchtet, dass der Musikunterricht, zu dem auch Singen und Tanzen gehöre, einseitig auf Instrumente ausgerichtet werde. Zudem sei zu befürchten, dass die Lehrer, die Musik unterrichten, nichts anderes mehr täten und darunter leiden würden. Jünger: „Es gibt Lehrer, die sagen: Ich liebe Musik, aber ich brauche zwischendurch Mathematik. Sonst halte ich den Beruf gar nicht aus.“