: Familien möchten mehr Hilfe
KINDERSCHUTZ Eltern bitten die sozialen Dienste der Bezirke verstärkt um Hilfen zur Erziehung. Zahl der Kindswohlgefährdungen ist aber rückläufig
Hamburgs Familien erbitten immer häufiger Hilfe vom Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) der Stadt. Wie aus dem am Montag vorgestellten Kinderschutzbericht 2010 hervorgeht, stieg die Zahl der Meldungen im Vergleich zum Jahr 2009 um rund drei Prozent auf etwa 28.500. Rückläufig seien dagegen die Verdachtsmeldungen auf Kindeswohlgefährdung, sagte der Leiter des federführenden Bezirksamts Wandsbek, Thomas Ritzenhoff.
Ihre Zahl sank im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2009 um knapp zehn Prozent auf fast 9.000. Grund hierfür sei in erster Linie ein neues Bearbeitungsverfahren. Wurde bis August 2010 automatisch eine Kindeswohlgefährdung vermutet, wenn ein Kind der Polizei auffiel, werden die Meldungen nun einzeln vom ASD ausgewertet.
„Früher wurde jede Polizeimeldung automatisch als Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ins System eingegeben“, sagte die Koordinatorin für Kinderschutz in Wandsbek, Gabriele Fuhrmann. Dies sei nun nicht mehr der Fall, wenn es etwa nur um einen geklauten Lippenstift oder ums Schwarzfahren gehe.
Insgesamt habe die Polizei 77 Prozent aller Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung gemeldet: „In acht Prozent, das sind rund 700 Fälle, ist der ASD sofort rausgegangen und hat einen Hausbesuch gemacht.“ In weiteren 39 Prozent habe sich der ASD innerhalb einer Woche vor Ort ein Bild gemacht.
Der größte Anteil bei den Verdachtsfällen auf Kindeswohlgefährdung rührt von Straftaten her (39 Prozent), gefolgt von Konflikten unter Erwachsenen wie häusliche Gewalt (20 Prozent) und Vernachlässigung (17 Prozent). In geringerem Umfang seien Beziehungskonflikte (9 Prozent), körperliche Misshandlung (7 Prozent) oder Suchtprobleme (4 Prozent) ausschlaggebend gewesen. Ganz am Ende mit drei beziehungsweise einem Prozent standen seelische Gefährdungen oder sexuelle Misshandlungen.
Inobhutnahmen stabil
Bei den Inobhutnahmen, wenn also ein Kind vorübergehend unter den Schutz der Jugendämter gestellt wird, sei die Zahl mit rund 780 Fällen annähernd gleich geblieben, sagte Ritzenhoff. Er wies jedoch darauf hin, dass die Zahl um rund zehn Prozent niedriger läge, würden die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge aus der Statistik herausgenommen. Ritzenhoff sagte auch mit Blick auf die Unruhen in Nordafrika, dass für sie mehr Kapazitäten vorgehalten werden müssten: „Wir müssen darauf reagieren.“
Nach wie vor steigend sei die Zahl der Hilfen zur Erziehung, sagte der Chef des Bezirksamts. Ungeachtet der Diskussionen über deren Finanzierung „können wir nur feststellen, dass nach wie vor erheblicher Bedarf für unterschiedlichste Maßnahmen besteht“.
Ritzenhoff kündigte an, die Kosten durch ein neues Netzwerkmanagement unter Kontrolle zu halten. Es gehe dabei jedoch nicht um Kürzungen, sondern um Verteilung und Steuerung. So soll durch vernetzte Angebote direkt im jeweiligen Stadtteil unbürokratisch geholfen werden, ohne dass der ASD überhaupt eingeschaltet werden muss. (dpa/taz)