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Archiv-Artikel

Jukebox

Mehr Hopeländisch für die Hitparaden

Man muss ja nicht immer alles verstehen.

Ein hübsches Spezialgebiet in der Popproduktion sind die in einer Fantasiesprache gesungenen Lieder, also nicht in Englisch, nicht in Deutsch oder in sonst einer der handelsüblichen Sprachen. Sondern mit Worten, für die es gar kein Wörterbuch gibt, in dem man deren Sinn und Gehalt nachschlagen könnte, und die sich damit einer Festlegung entziehen, die wieder an die Ursprünglichkeit von Pop heranreichen will, der selbst doch schon eine Fantasiesprache ist. Also eine Brabbelsprache, zuerst. AWopBopaLooBop lautete ein frühes Bekenntnis, oder Shalalalalee. Was nicht gerade leicht als Beschreibung eines Sachverhalts aufzulösen ist. Die Dringlichkeit im Vortrag aber merkte man doch, die sich ja auch in den deutschen Gründertagen der Beatmusik spiegelte, als in den Kellerlöchern die Lieder aus England und Amerika nachgespielt und nachgesungen wurden, die im Gitarrenschnitzwerk und in der Sprache dann meist nur entfernt etwas mit den Originalen zu tun hatten. Richtiges Englisch jedenfalls war das oft nicht, nur ein Nachgeahmtes. Aber Englisch hatte man in der Schule ja noch gar nicht gelernt, und es haute eben trotzdem hin, Shalalalalee, weil Pop zwar meist die Einheit von Text und Musik in einem Lied meint. Um das Textverständnis aber geht es nicht.

Dass in den vielen Büchern, in denen der Bedeutung von Pop nachgespürt wird, dann trotzdem meist an Textexegesen herumgeknabbert wird, liegt halt daran, dass der Popmusikjournalist mittlerweile 1.) Englisch kann und 2.) von Musik selbst oft keine Ahnung hat. Also sie auch nicht beschreiben kann. Was aber durchaus okay so ist, weil bei Pop im Zweifelsfall die Frage allemal bedeutsamer ist, wieso der Gitarrist der Band sowieso immer in grünen Socken auf die Bühne kommt.

Beliebte Fantasiesprachler im Pop sind die Musiker von Sigur Rós. Sie singen gern in Hopeländisch, damit sie auch im heimischen Island richtig unverstanden bleiben. Und ihre Musik klingt durchaus nach diesem Steinhaufen da draußen im Nordatlantik, mit seinen Feen und den brodelnden Geysiren und der Weite der Landschaft, in der es einem zwischendurch schon auch mal langweilig werden kann bei den ausgedehnten Spaziergängen. Am Sonntag stellen Sigur Rós im Admiralspalast ihren Konzertfilm „Heima“ vor, was Heimat bedeutet (also der Ort, an dem man sich versteht). Dazu spielen sie ein kleines Akustik-Set. THOMAS MAUCH