: Regierungschef wird seiner Favoritenrolle gerecht
KIRGISTAN Bei den Präsidentenwahlen liegt Almasbek Atambajew vorn. Vorwürfe von Wahlfälschungen
BISCHKEK taz | Bei den Präsidentschaftswahlen in Kirgistan am Sonntag haben nach den Angaben der zentralen Wahlkommission über 60 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt. Ersten Auszählungen zufolge liegt der Premierminister und Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Almasbek Atambajew, vorne. Die Gegenkandidaten sprechen nach Schließen der Wahllokale von schweren Wahlfälschungen.
Erstmals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 stand das Ergebnis nicht vorab fest. Favorit war Premier Almasbek Atambajew, der aus dem Norden stammt. Seine schärfsten Konkurrenten, Kamtschibek Taschijew und Atachan Madumarow, sind Vertreter des Südens.
Präsidentin Rosa Otunbajewa, Atambajews Parteigängerin, trat nicht mehr an. Der Aufstand im April 2010 gegen den damaligen Präsidenten Kurmanbek Bakijew verhalf der Oppositionspolitikerin zur Macht. Sie versprach, über ein Referendum in Kirgistan eine parlamentarische Demokratie einzuführen und die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abhalten zu lassen, ohne selbst anzutreten. Sie hielt Wort. „Ich will ein Beispiel dafür sein, dass in Kirgistan eine friedliche Machtübergabe möglich ist“, sagt sie.
Atambajew wollte eine Stichwahl um jeden Preis vermeiden. Er werde bei einem Sieg an der parlamentarischen Staatsform festhalten. „Das entspricht unserer Nomadenkultur“, sagte er bei der Stimmabgabe.
Traditionell konkurrieren in Kirgistan die südlichen und nördlichen Klanchefs um die Macht. Am Freitag warnten die beiden Kandidaten Taschijew und Madumarow vor Wahlfälschungen. „Das Volk werde aufstehen“, drohte Taschijew, sollte das Ergebnis zugunsten Atambajews manipuliert werden. Die OSZE-Beobachter teilen die Sorgen bisher nicht. Es habe zwar einige Unregelmäßigkeiten gegeben, sagt deren Sprecher Jens Eschenberger, aber bisher sei der Wahlkampf frei gewesen, wie sonst kaum einer in Zentralasien.
Über den Präsidentenwahlen liegt der Schatten des ethnischen Konfliktes in Südkirgistan. Fünf Tage zogen im Juni 2010 Tausende kirgisische Marodeure mordend durch die usbekischen Wohnviertel von Osch und Dschalalabad und brannten über 2.700 Häuser nieder. Bis heute sind die Kirgisen vor allem im Süden überzeugt, die Usbeken seien schuld. „Atambajew und Otunbajewa tragen die Schuld an diesen Unruhen“, erklärt Madumarow. Sollte er die Wahlen gewinnen, würden beide dafür zur Rechenschaft gezogen.
Die Usbeken, die 14 Prozent der Bevölkerung stellen, wurden vor den Wahlen von den kirgisischen Nationalisten im Süden eingeschüchtert. Sie sollten entweder den Urnen fernbleiben oder für deren Kandidaten stimmen. MARCUS BENSMANN